Fachwissen

Pionier der Kinderheilkunde:

László von Dobszay

aus korasion Nr. 2, Mai 2000

L. v. Dobszay wird regelmäßig als der Verfasser des ersten Buches zur Kindergynäkologie zitiert. Dieses Buch erschien 1939 als Fasc. 3 in Band VIII der Acta Litterarum Ac Scientarium Reg. Universitatis Hung. Francisco Iosephinae. Sein Titel ist weniger bekannt: “Beiträge zur Physiologie und Klinik der weiblichen Genitalorgane im Kindesalter”. Die Monographie ist in deutscher Sprache verfasst: In einem schönen, schnörkellosen Deutsch legt PD Dr. László von Dobszay die Ergebnisse seiner achtjährigen Studien dar, sorgfältige Beobachtungen an Hunderten von Kindern in gesunden und kranken Tagen.
Als ehemaliger Assistent der Kinderklinik und späterer Direktor des Staatlichen Kinderasyls in Gyula entwickelte er sein Interesse an dem Grenzgebiet. Nach seiner eigenen Aussage streift dieses “den Wirkungskreis des Kinderarztes, aber auch den des Dermatologen und Venerologen, ja sogar den des Gynäkologen. Jedoch nicht so, dass daraus ein selbständiger Forschungszweig hätte entstehen können.

”L. v. Dobszay liefert zunächst eine exakte anatomische Beschreibung der Genitalorgane des Mädchens einschließlich Zentimeterangaben zur Hymenalöffnung und zur Länge der Scheide. Es folgt ein ausführliches Kapitel zum Genitalmilieu im Neugeborenenalter. Die Entwicklung der Bakterienbesiedlung und des pH-Wertes der Scheide wird dokumentiert, und die Fakten werden erörtert, die zu dieser Entwicklung führen. L. v. Dobszay erkannte die saure Reaktion als unbedingte Voraussetzung zum Gedeihen der Döderlein-Flora und konnte durch seine Versuche, dieselbe dauerhaft anzusiedeln, die histochemischen Bedingungen für die Entwicklung des physiologischen Scheidenmilieus experimentell klarlegen. Die zentrale Bedeutung des Folikelhormons, die Veränderungen in der Struktur der Scheidenhaut unter Hormoneinwirkung - gesteigerte Desquamation, gesteigerter Zellverfall, Vermehrung des glykolytischen Fermentes - alles das hat er detailliert beschrieben. So ließen sich Fluor neonatorum, morphologische Veränderungen des Uterus im Neugeborenenalter, die physiologische Blutung (Halban-Reaktion) und die “Mastitis physiologica neonatorum” zwanglos in das System einordnen. Auch erkannte L. v. Dobszay, dass das physiologische Genitalmilieu eine wirksame, natürliche Schutzeinrichtung gegen Infektionen ist und dass jedes Eingreifen - z. B. die damals gebräuchlichen Höllensteineinträufelungen - dieses Milieu stört und mehr schadet als es nützt.

In dem Kapitel über die physiologischen Erscheinungen im Bereich der Genitalien im Pubertätsalter konnte L. v. Dobszay Parallelen ziehen und die Feststellung treffen, dass der “Pubertätsfluor” mit den Veränderungen des Scheidenmilieus in diesem Alter im kausalen Zusammenhang steht und in die übrigen physiologischen Vorgänge der Geschlechtsreife einzureihen ist. Eine informative Übersicht setzt Alter, Merkmale der Reife und Fluor sowie Bakterienbesiedlung der Scheide und zytologischen Befund zueinander in Beziehung.

Der zweite Teil der Schrift ist der Pathologie gewidmet. Dabei geht es vor allem um die Gonorrhoe im Bereich der weiblichen Genitalien im Kindesalter, die seinerzeit ein bedeutendes Problem darstellte: In Ungarn waren 0,5 bis 1 % der Kinder befallen, der Häufigkeitsgipfel der Erkrankung lag bei den Drei- bis Sechsjährigen. Als Ursache der hohen Erkrankungsrate galt zum einen die stärkere Empfänglichkeit der Kinder wegen der fehlenden Selbstreinigungskraft der Scheide, deren pH mit 6,4 bis 6,8 günstige Lebensbedingungen für Gonokokken bot. Zum anderen hatte L. v. Dobszay experimentell nachgewiesen können, dass Gonokokken außerhalb des Organismus unter bestimmten Umständen tagelang überleben können. Folgerichtig setzte er sich besonders mit der intrafamiliären Prophylaxe auseinander: Die Unterweisung Erwachsener in den persönlichen hygienischen Verhaltensmaßregeln, Auklärungsarbeit zur Hebung der allgemeinen Familienhygiene, aber auch zur Hygiene in Schulen waren ihm ein besonderes Anliegen. Bei der Diagnose der Erkrankung setzte L. v. Dobszay das von ihm ausgearbeitete endoskopische Verfahren ein - den Vorläufer der heutigen Vaginoskopie. Er beschreibt ausführlich seine Vorgehensweise und stellte als Ergebnis fest: “Mit entsprechendem Gerät, entsprechender Manualität, nötiger Vorsicht kann die Endoskopie bei den unruhigsten Kindern, ohne die kleinste Verletzung zu verursachen, ausgeführt werden.”

Die Behandlung bei kindlicher Gonorrhoe war damals noch recht problematisch. Man versuchte physikalische Anwendungen, gab Balsam per os, parenteral Quecksilber oder Silber. Ausführlich beschreibt L. v. Dobszay die Scheidentamponade mit Salzsäure-Pepsin. Über erste Erfahrungen mit den soeben entdeckten Sulfonamiden wurde berichtet; sie fielen noch uneinheitlich aus, vermutlich wegen Dosierungsproblemen. In diesem Zusammenhang hat L. v. Dobszay auch, angeregt durch die Arbeit von Lewis, die Anwendung von Follikelhormon in relativ hohen Dosen genauer untersucht. Sein Fazit: “Eine mit der Inokulation der Döderleinschen Flora kombinierte Hormonbehandlung stellt eine biologische Therapie bei Gonorrhoe dar.” Der bis dahin unbekannte Heilerfolg wurde mit “Milieuumwandlung” begründet. Im letzten Kapitel des Buches behandelt L. v. Dobszay die nicht-gonorrhoischen Entzündungen im Kindesalter. Ätiologisch unterscheidet er physikalische Einwirkungen von solchen, die durch Bakterien hervorgerufen werden, den endogenen und den exogenen, den infektiösen und den parainfektiösen Fluor. Bei der Beschreibung des Fremdkörperfluors kommt in seinen Ausführungen wiederum der Stellenwert der Endoskopie zum Tragen.

L. v. Dobszay räumte im Rahmen seiner Ausführungen mit vielen althergebrachten Vorstellungen auf, z. B. mit der, dass die Geschlechtsorgane des Kindes als ein inaktives, “sozusagen in einem Erwartungsstadium befindliches” Organsystem anzusehen seien. Auch konnte er experimentell belegen, dass bei den verbreitet verordneten Sitzbädern Arzneien nicht - wie allgemein angenommen - auch jenseits des Hymens wirksam werden, dass man vielmehr in der Scheide selbst behandeln muss, wenn sie erkrankt ist. Er verließ zudem die damals allgemeine Auffassung, derzufolge Fluor bei Kindern grundsätzlich als Tripper identifiziert wurde, und erkannte die Vielfalt der nicht-gonorrhoischen Fluorursachen. Von seiner sorgfältigen Art, bestimmten Fragestellungen Schritt für Schritt konsequent mit allen zu Gebote stehenden Möglichkeiten nachzugehen, können wir heute noch lernen. László von Dobszay starb 1983 in Budapest. Die Sektion Kindergynäkologie der Ungarischen Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie hat zur Erinnerung an diesen verdienstvollen Arzt und Wissenschaftler 1987 die Dobszay-Medaille gestiftet. Sie wurde inzwischen an Ärzte und Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern und Kontinenten verliehen, die in der Subspezialität tätig sind. Aus Deutschland sind bisher Prof. Christian Lauritzen und Dr. Marlene Heinz mit dieser Ehrung bedacht worden.

Verfasserin:

Dr. Judith Esser Mittag