Fort- und Weiterbildung

Konstitutionelle Entwicklungsverzögerung aus gynäkologischer Sicht

G. Tscherne, Graz (Österreich)

Die Erkennung von Anomalien der körperlichen Entwicklung war und ist eine vordringliche Aufgabe der Disziplin Kinder- und Jugendgynäkologie. Insbesondere die Beurteilung der Sexualentwicklung sowie des Zyklusgeschehens fiel vorwiegend dem Gynäkologen zu. Mit der Entwicklung der Pädiatrie zur Kinder- und Jugendmedizin ist eine positive Überschneidung eingetreten, die ein synchrones Vorgehen begünstigt mit dem Ermöglichen einer frühen Erkennung und Abklärung von Anomalien. Speziell eine Entwicklungsverzögerung wurde vielfach als konstitutionelles und individuell familiäres Faktum hingenommen. Wenn der Gynäkologe primär mit verzögerter Entwicklung konfrontiert wird, so entweder wegen fehlender Sexualentwicklung (im Vergleich mit gleichaltrigen Mädchen) oder des Ausbleibens einer Regelblutung. Als Rahmen für eine normale Entwicklung gilt ein Menarchealter von 12 bis 13 Jahren, der Eintritt von Pubarche und Thelarche etwa 2 Jahre früher. Bei signifikanten Verzögerungen sind abklärende Schritte einzuleiten. Neben klinischem Bild und Genitalbefund bildet eine Hormonanalyse die Grundlage für die Beurteilung von Ursache und Schweregrad einer Störung. Eine Basishormonanalyse (FSH, LH, Prl, E2, T und DHEA-S) ist richtungweisend.

Damit lassen sich vor allem hypergonadotrope, hyperandrogenämische, seltene hyperprolaktinämische und auch hypothalamisch-hypophysäre Formen einer gestörten Sexualentwicklung abgrenzen. Charakteristisch für eine konstitutionelle Entwicklungsverzögerung sind niedrige Gonadotropine (FSH, LH), sehr niedriges Östradiol (E2) und niedriges Dehydroepiandrosteron-Sulfat (DHEA-S) als wichtiger Parameter für die Entwicklung. Für die Erkennung der Ursache sind anamnestische Daten entscheidend. Selbstverständlich gibt es familiär gegebene Entwicklungsverzögerungen im Sinne einer idiopathischen Pubertas tarda. Maßgeblich für das Vorgehen ist die individuelle Einstellung der Betroffenen und das Alter. Wenn die Verzögerung nicht signifikant ist und kein Problem darstellt, kann zunächst abgewartet werden. Bei Hormonkontrollen müsste ein Anstieg von FSH, LH, F, und DHEA-S erkennbar werden.

Ergänzend erlauben sonographische Untersuchungen die Beurteilung des Uterus und der Ovarien. Auch das Körpergewicht (BMI) stellt einen relevanten Faktor dar. Stoffwechselparameter und Wachstumsfaktoren wie IGF1, IGF1BP sind involviert. Das gilt insbesondere bei evidenten Ursachen wie chronischen psychischen und extremen körperlichen Belastungsfaktoren wie Essstörungen, Anorexia nervosa und Leistungssport. Bei individuell familiärer Entwicklungsverzögerung kann eine hormonelle Substitution zur Induktion einer Sexualentwicklung jederzeit eingeleitet werden, maßgeblich ist auch die psychische Komponente.

Zur Anwendung gelangen natürliche Sexualsteroide in Form von Östrogenen und zyklisch aufgebauten Östrogen-Gestagen-Kombinationen, vergleichbar solchen, die in der frühen Postmenopause Anwendung finden. Die Möglichkeit einer Individualisierung ergibt sich aus der Höhe der Östrogendosis und der Art der Gestagene. Bei Anorexie oder extremen körperlichen Belastungen, die längere Zeit anhalten, ergibt sich die Indikation zur Hormongabe vorwiegend wegen potentieller gesundheitlicher Probleme, insbesondere betreffend die Knochenmasse, das heißt die Peak bone mass. Natürliche Östrogene und Gestagene sind hier ebenfalls nach Art der Verabreichung in der frühen Postmenopause indiziert. Ein eventuelles Problem ist die Akzeptanz und das niedrige Körpergewicht, weil eine Korrelation zwischen Body mass index und Knochenmasse gegeben ist. Allfällige Alternativen könnten Bisphosphonate und SERMS darstellen.