Fort- und Weiterbildung

Abstracts des Münchener Symposiums für Kinder- und Jugendgynäkologie
Anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Arbeitsgemeinschaft vom 23. bis 25. Oktober 2003, Frauenklinik, Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Posterbegehung

Dipl.-Psych. Daniela Schön, Hamburg

Die ersten Lebensjahre intersexueller Personen mit XY-Karyotyp: 
Erfahrungen mit medizinischen Behandlungsmaßnahmen

1. Fragestellung:
In den 50er Jahren schlug Money Richtlinien zur Behandlung und Erziehung von Kindern mit nicht eindeutigem Genitale vor, welche im Laufe der Jahre zunehmend diskutiert und in Frage gestellt wurden. Die Geschlechtsidentität sei im Kern zwischen dem 18.-24. Lebensmonat festgelegt, so dass Money für genitalkorrigierende Operationen möglichst vor diesem Zeitpunkt plädierte. Die Betroffenen beschreiben heute einerseits Probleme mit den oft unbefriedigenden Operationsergebnissen, andererseits wird wiederholt gefordert, diese Operationen erst in einem Alter durchzuführen, in welchem die Betroffenen selbst ihre Zustimmung geben können. Bisher kann allerdings keine Entscheidung hinsichtlich des Zeitpunktes und der Art der Behandlungsmaßnahmen getroffen werden, da noch viel zu wenig über diese heterogene Gruppe der Personen mit Intersexualität bekannt ist. Ziel eines Projektes im Rahmen der von der DFG geförderten Klinischen Forschergruppe „Intersexualität – vom Gen zur Geschlechtsidentität“ ist es, die Prozess- und Ergebnisqualität der medizinischen Behandlungsmaßnahmen bei adoleszenten Patientinnen und Patienten mit Intersexualität retrospektiv zu untersuchen und eine Aussage über deren Auswirkungen auf die Entwicklung der Geschlechtsidentität zu treffen.

2. Methodik:
Mittels eines Fragebogens zur Lebensqualität und zu Erfahrungen mit Behandlungsmaßnahmen bei Auffälligkeiten der körperlichen Geschlechtsentwicklung werden retrospektiv für die Kindheit und Jugend sowie für das Erwachsenenalter Personen mit XY-Karyotyp befragt. Lebenszufriedenheit und körperliches Befinden werden mit standardisierten Instrumenten erfasst und ergänzende Interviews geführt. Die Auswertung erfolgte mit Hilfe von quantitativen statistischen Verfahren.

3. Ergebnisse:
Das Wissen darüber, wieviele intersexuelle Kinder in den ersten Lebensjahren womit behandelt werden und welche Geschlechtsidentität sich bei dieser heterogenen Gruppe entwickelt, ist mangelhaft. Ca. 2/3 der Teilnehmer leben in der weiblichen, 1/3 in der männlichen Geschlechtsrolle. Von allen Befragten bezeichnen sich 1/3 aktuell als homosexuell und 2/3 als heterosexuell. 1/5 der bisher Befragten wurden bis zum 10. Lebensjahr diagnostischen Maßnahmen unterzogen, ca. 1/3 wurden in diesem Alter im Zusammenhang mit der Diagnose „Intersexualität“ operiert. Bei 2/3 der Teilnehmer wurden zwischen dem 11. und 16. Lebensjahr diagnostische Maßnahmen ergriffen, 2/3 wurden in diesem Alter operiert. Die Hälfte der bisher Befragten ist mit den Operationsergebnissen unzufrieden, wobei kein Zusammenhang mit dem Zeitpunkt der Operation zu bestehen scheint. Nähere Angaben zu den einzelnen Behandlungsmaßnahmen werden dargestellt.

4. Schlussfolgerung:
Die meisten Befragten bemängeln eine unzureichende medizinische Aufklärung und psychologische Betreuung. Ihrer Meinung nach sollten bereits im Kindesalter die Eltern mit Selbsthilfegruppen in Kontakt kommen und das Kind altersgerecht aufgeklärt werden. Alle Teilnehmer fordern, dass Operationen nur dann durchgeführt werden sollen, wenn sie „lebensrettend“ sind.

Dipl.-Psych. D. Schön, O. Hiort und H. Richter-Appelt, 
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf