Fort- und Weiterbildung

Abstracts des Münchener Symposiums für Kinder- und Jugendgynäkologie
Anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Arbeitsgemeinschaft vom 23. bis 25. Oktober 2003, Frauenklinik, Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Keimzelltumoren des Ovars und Behandlungsergebnisse der Therapieoptimierungsstudie MAKEI 96

Grundlagen:

Keimzelltumoren des Ovars sind eine eigenständige Tumorgruppe, die sich von den häufigen Ovarialkarzinomen hinsichtlich Histologie, Tumorbiologie und Prognose erheblich unterscheiden. Histologisch werden die Keimzelltumoren in Teratome, embryonales Karzinom, Dottersacktumor, Chorionkarzinom und Dysgerminom unterschieden.

Über ihr unterschiedliches biologisches Verhalten informiert Tabelle 1.

Tabelle 1:
Biologische Charakteristika der Keimzelltumoren
Entität Dignität Tumormarker Sensibel auf
    ßHCG AFP Bestrahlung Zytostatika
Germinom maligne (+) - 24 +++
Embronales CA maligne - - 45 +++
Dottersacktumor maligne - +++ 45 +++
Chorionkarzinom maligne +++ - 45 +++
Teratom benigne
pot. maligne
- ((+)) >54 -

Diagnostische Sonderfälle:

Die verschiedenen Tumorentitäten können isoliert oder kombiniert auftreten. Bei gemischten Keimzelltumoren, die im Ovar etwa 50% der Diagnosen ausmachen, richtet sich die Prognose nach der Tumorentität mit der ungünstigsten Histologie. Wichtig ist bei den zum Teil sehr großen Tumoren, dass viele Schnitte aus mehreren Blöcken von unterschiedlichen Tumorarealen untersucht werden und die Tumormarker AFP und HCG sowohl im Tumormaterial histochemisch nachzuweisen wie auch im Serum quantitativ zu messen sind. Die signifikante Erhöhung im Serum eines oder beider Marker spricht immer für einen bösartigen Keimzelltumor, selbst wenn die Histologie nur ein gutartiges Teratom erkennen lässt. Die Teratome selbst werden anhand der Zahl unreifer Zellen pro mikroskopischem Gesichtsfeld graduiert, wobei der Grad 0 den ausdifferenzierten, reifen Teratomen entspricht und der Grad 3 mehr als 50 % unreife Zellen aufweist, die meist eine neuronale Differenzierung im Sinne primitiver neuroektodermaler Tumoren ausweisen.

Behandlung:

Die Therapie richtet sich nach der Histologie und dem Tumorstadium (Abbildung 1). Die Stadieneinteilung erfolgt nach der FIGO-Klassifikation. 

  • In dem aktuellen Protokoll MAKEI 96 erhalten Patientinnen im Stadium I eine engmaschige Nachsorge, sofern es sich um Teratome oder makroskopisch komplett resezierte maligne Keimzelltumoren handelt.  
  • Ab dem Stadium Ic ist bei malignen Keimzelltumoren eine Chemotherapie indiziert, die bei komplett resezierten Tumoren aus zwei Zytostatika (Cis-erhebplatin 5x20 mg/m² mit Mannit-Diurese und Etoposid 3 x100mg/m²) und bei inkompletter Resektion aus drei Zytostatika (zusatzlich Ifosfamid 5 x1,5 g/m² mit Mesna-Uroprotection) besteht.  
  • Die Zahl der im Abstand von drei Wochen zu verabreichenden Therapieblöcke steigt mit dem Tumorstadium von zwei Blöcken bis auf vier Blöcke an.  
  • Bei Patientinnen mit organübergreifenden Tumoren ist eine präoperative Chemotherapie von drei Kursen vorgesehen. Nach der Tumorresektion wird dann der vierte Kurs verabreicht.  
  • Bei Hochrisikopatientinnen, z.B. mit hepatoider Histologie oder schlechtem Ansprechen auf die präoperative Behandlung, erfolgt eine Therapieintensivierung mittels regionaler Tiefenhyperthermie.

Eine Strahlentherapie ist – trotz der besonderen Strahlensensibilität der Dysgerminome – nicht mehr bei Ovarialtumoren in der Primärbehandlung vorgesehen, um Wachstumsstörungen zu vermeiden und die Fertilität zu erhalten. Im Rahmen der Studie MAKEI 96 sind bis XII/2001 109 Patientinnen mit einem malignen Keimzelltumor des Ovars erfasst worden; das Alter reicht von 0-36 Jahren bei einem Median von zwölf Jahren. 62 Patientinnen gehörten dem Stadium I, 19 dem Stadium II, 22 dem Stadium III und sechs dem Stadium IV an. Histologisch handelt es sich um 24 Germinome, 22 Dottersacktumore, ein Chorionkarzinom, ein embryonales Karzinom und 61 gemischte maligne Keimzelltumoren. Die maturen und immaturen Teratome sind in dieser Auflistung nicht enthalten.

Die Histologie ist zentral im Kindertumorregister des Instituts für Paidopathologie der Christian- Albrechts-Universität Kiel erfasst und nach einheitlichen Kriterien nachbefundet worden.

Ergebnisse:

Im FIGO-Stadium I mit watch-and-wait-Strategie ist eine Progressionsrate von 15 % aufgetreten; alle Patientinnen mit progressiver Erkrankung haben mit einer stadiengerechten Chemotherapie eine anhaltende Zweitremission erreicht. Von den Patientinnen mit FIGOStadium Ic sind zwei Patientinnen trotz adjuvanter Chemotherapie bestehend aus zwei Blöcken Cisplatin, Etoposid und Ifosfamid an Tumorprogression bzw. einer malignen Zweiterkrankung verstorben. Das Überleben im FIGO-Stadium I beträgt 96 % berechnet auf sieben Jahre.

Im FIGO-Stadium II hat nur eine Patientin ein Tumorezidiv im kontralateralen Ovar mit gleichzeitigen Lungenmetastasen erlitten und ist trotz einer Rezidivichemotherapie verstorben. Das ereignisfreie Überleben und Gesamtüberleben beträgt 91%.

Von den 22 Patientinnen mit FIGO-Stadium III haben zwei Patientinnen ein Ereignis erlitten: ein Rezidiv als reifes Teratom bzw. eine Gliomatosis peritonei. Beide Patientinnen sind in anhaltender Zweitremission (EFS 76 %, OS 1.00).

Von den sechs Patientinnen mit FIGO-Stadium IV ist eine an ihrer Erkrankung und eine an einer intraoperativen Blutung verstorben.

Nachsorge:

Bei Patientinnen mit Ovarialtumoren beinhalten die Nachsorgeuntersuchungen eine sorgfältige Zwischenanamnese und klinische Untersuchung, eine Ultrasonographie des Abdomens unter besonderer Berücksichtigung der retroperitonealen Lymphknoten in Höhe des Nierenhilus und des kleinen Beckens sowie die Messung der Tumormarker AFP und HCG im Serum.

Für das erste Halbjahr sind die Messungen im Abstand von 14 Tagen vorzunehmen, dann monatlich für die folgenden zwölf Monate, um rechtzeitig ein Tumorrezidiv zu erkennen. Anschließend können die Intervalle vergrößert werden, im Rahmen des MAKEI-Protokolls sind die Nachsorgeuntersuchungen für die Dauer von zehn Jahren vorgesehen.

Zur Erkennung von Chemotherapie-abhängigen Spätfolgen ist die Messung des Serum-Phosphor zur Erkennung eines erworbenen Fanconi-Syndroms und eine Hörprüfung zum Ausschluss einer Innenohrschwerhörigkeit einmal pro Jahr indiziert.

Schlussfolgerung:

Zusammengefasst beträgt das Überleben 94 % (Abbildung 2) und ist im Rahmen einer Multizenterstudie als exzellent einzustufen. Mit einer risikoadaptierten Strategie kann durch die Deutsche Krebshilfe.

Prof. Dr. med. U. Göbel, G. Calaminus und D. Schneider, Düsseldorf