Fort-und Weiterbildung

Abstracts des Münchener Symposiums für Kinder- und Jugendgynäkologie
Anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Arbeitsgemeinschaft vom 23. bis 25. Oktober 2003, Frauenklinik, Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Prof. Dr. med. Cosima Brucker, Ulm

Kontrazeption bei Jugendlichen – neue Aspekte

Sexualität ist ein wichtiges Thema, insbesondere auch bei Jugendlichen, die durch die veränderten gesellschaftlichen und sozialen Strukturen sowie durch den freizügigen Umgang mit dem Thema Sexualität in den Medien immer früher erste sexuelle Kontakte aufnehmen. Nach Angaben des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte werden in Deutschland jährlich mindestens 10 000 Mädchen unter 18 Jahren schwanger. Die vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte Statistik der Schwangerschaftsabbrüche weist für das Jahr 2001 eine Gesamtzahl von 7605 Schwangerschaftsabbrüchen bei Mädchen bis 18 Jahre aus. Dies bedeutet gleichzeitig eine nicht unerhebliche Anzahl ausgetragener Schwangerschaften mit all ihren persönlichen und sozialen Folgen.

Aufgrund dieser Tatsachen ist es von eminenter Wichtigkeit, rechtzeitig das Bewußtsein für die Notwendigkeit der Anwendung von Verhütungsmitteln zu schaffen. Bereits Teenager müssen eine zuverlässige Kontrazeption erhalten, sobald sie ein entsprechendes Sexualverhalten ausüben. Wenn die grundsätzliche Entscheidung für eine aktive Verhütung getroffen wurde, so sollte die weitere methodenbezogene Beratung in der frauenärztlichen Sprechstunde erfolgen.

Ziel der Beratung ist es, der Jugendlichen zu helfen, die für sie beste Methode in der spezifischen Lebens- bzw. Beziehungssituation zu finden. Ein wesentlicher Gesichtspunkt bei der Kontrazeption von Jugendlichen ist der mögliche Einfluss der verwendeten Methode auf die weitere gesundheitliche Entwicklung. Hier müssen insbesondere die in den Hormonhaushalt eingreifenden Methoden sowie die intrauterinen Methoden vor dem speziellen Hintergrund der jugendlichen Anwenderin beleuchtet werden.

Hormonale Kontrazeption

Die orale hormonale Kontrazeption ist für Jugendliche eine günstige Form der Kontrazeption wegen ihrer hohen kontrazeptiven Sicherheit und der diskreten Anwendung. Darüber hinaus bietet die Pille günstige Zusatzwirkungen im Hinblick auf Blutungsstärke, Dysmenorrhoe, Androgenisierungserscheinungen, Ovarialzysten, Mastopathie, Protektion vor Endometrium- und Ovarialkarzinom sowie PCO-Syndrom. Weiterhin besteht die Möglichkeit, durch gezielten Einsatz von antiandrogen wirksamen Präparaten die häufig beobachtete Akne und/oder Seborrhoe wirkungsvoll zu behandeln.

Systemisch wirksame Langzeitkontrazeptiva bieten ebenfalls die Möglichkeit einer sicheren Kontrazeption und sind weniger Compliance-abhängig als die Pille, basieren jedoch auf alleiniger Gestagengabe. In Bezug auf Nebenwirkungen und langfristige Auswirkungen – z. B. ein mögliches Osteoporose-Risiko – liegen wesentlich weniger Daten in dieser Altersgruppe vor als bei oralen Kontrazeptiva (OC). Durch die alleinige Gestagengabe entfallen potentiell günstige Effekte auf Akne und Seborrhoe, da die Ethinylestradiol (EE)-bedingte Induktion von SHBG fehlt und die eingesetzten Gestagene keine spezifische antiandrogene Wirkung aufweisen.

Dennoch hat sich das subkutane Gestagenimplantat speziell bei jungen Mädchen etabliert, die Compliance-Probleme bei der Pilleneinnahme zeigen. Zu beachten ist hier das Auftreten von Blutungsstörungen, insbesondere Polymenorrhoe (ca. 6% der Anwenderinnen) und verlängerte Blutung (ca. 12 % der Anwenderinnen). Dies erfordert eine entsprechende Aufklärung und möglicherweise Intervention.

Hormonale Kontrazeption und Endokrinium

Häufig werden Bedenken geäußert bezüglich negativer Auswirkungen auf das Endokrinium bei sehr früher Pillenanwendung. Die regelmäßige ovulatorische Funktion stabilisiert sich bei Adoleszenten über einen Zeitraum weniger Jahre. Unmittelbar nach der Menarche ist der ovulatorische Zyklus eher die Ausnahme (ca. 10 % aller Zyklen). Zwischen dem 25. und 30. Lebensjahr erst hat die ovulatorische Funktion ihre größte Stabilität erreicht.

Niedrig dosierte Kombinationspräparate haben weder einen negativen noch einen positiven Einfluss auf die „Ausreifung des Zyklus“. Daher kann bei regelmäßigem Zyklusgeschehen ohne Bedenken die orale Kontrazeption begonnen werden. Die frühe Einnahme eines Ovulationshemmers führt nicht zu einer dauerhaften Blockade des Ovulationsvorgangs. Postpill-Amenorrhöen treten nicht als Folge der Pilleneinnahme auf, sondern wegen bereits a priori bestehender Zyklusstörungen. In Sonderfällen ist eine hormonelle Kontrazeption auch ohne das Vorhandensein regelmäßiger Zyklen indiziert, insbesondere bei der frühen Hyperandrogenämie, die sich in Form einer primären Oligo-/Amenorrhoe manifestieren kann. Hier sind zur Zyklusregulation und Behandlung der Hyperandrogenämie bei gleichzeitigem Kontrazeptionswunsch orale Kontrazeptiva auch bei entsprechenden Zyklusstörungen indiziert.

Hormonale Kontrazeption und Knochenstoffwechsel

Ein wesentlicher Aspekt bei frühzeitiger hormonaler Kontrazeption ist der Einfluss auf die Knochendichte. Eine mögliche negative Beeinflussung des Knochenstoffwechsels durch orale Kontrazeptiva wird kontrovers diskutiert. Bei Untersuchungen an Patientinnen über 30 Jahre fand sich keine nachteilige Wirkung auf die Knochendichte, bei perimenopausalen Frauen scheinen sie den Knochenstoffwechsel eher günstig zu beeinflussen (Karck und Breckwoldt, 2001).

Über jüngere Frauen liegen nur wenige Untersuchungen vor. Kombinierte orale Kontrazeptiva scheinen unabhängig vom Alter der Patientin zu einer Bremsung des Knochenumbaus zu führen. Man könnte daher vermuten, dass niedrig dosierte orale Kontrazeptiva über eine Reduktion des Knochenstoffwechsels die Ausbildung der Peak Bone Mass bei sehr jungen Patientinnen beeinträchtigen könnten.

Einen Hinweis dahingehend gab eine vergleichende Studie an jungen Frauen im Alter von 19 bis 22 Jahren, die über fünf Jahre beobachtet wurden (Polatti et al., 1995). Eine Patientinnengruppe erhielt ein OC mit 20 µg EE/150 µg Desogestrel, die andere Gruppe blieb unbehandelt. Nach fünf Jahren zeigte sich bei den unbehandelten Frauen ein Ansteig der Knochendichte in LWK II-IV (DEXA-Methode) von
7,8%, wogegen sich bei der Gruppe unter OC keine Änderung zeigte. Verlässliche Studien, die den Effekt von OC auf das Erreichen der Peak Bone Mass von Teenagern untersuchen, fehlen jedoch. Studien dieser Art wären dringend erforderlich, um das tatsächliche Risiko besser einschätzen zu können. Zum jetzigen Zeitpunkt sollte diese Unsicherheit jedoch nicht dazu führen, eine effektive Kontrazeption bei Teenagern nicht durchzuführen.

Hormonale Kontrazeption und Karzinomrisiken

Epidemiologische Studien über die Wirksamkeit von OC, die 50 µg oder mehr EE enthalten, haben eine deutliche Abnahme des Risikos, am Endometrium- oder Ovarialkarzinom zu erkranken, gezeigt. Die Schutzwirkung persistiert sogar nach Absetzen des OC. In Bezug auf Zervixneoplasien wurde ein leichter Anstieg beobachtet, der jedoch weiterer Abklärung bedarf. Es wird vermutet, dass Fehler im Studiendesign insbesondere durch die Auswahl der Kontrollgruppe zu dieser Beobachtung geführt haben.

In Bezug auf das Mammakarzinom scheint nach neueren Untersuchungen keine Risikoerhöhung vorhanden zu sein. So ergab eine kürzlich erschienene Fall-Kontroll-Studie basierend auf 4 575 Frauen mit Brustkrebs und 4 682 Kontrollen ein RR von 1,0 bei derzeitigen Anwenderinnen und ein RR von 0,9 bei früheren Anwenderinnen. Weder mit längerer Anwendung noch mit höheren EE-Dosierungen konnte hier eine Risikoerhöhung nachgewiesen werden. Ebenso zeigte sich kein Risikoanstieg, wenn schon frühzeitig mit der Pilleneinnahme begonnen wurde (Marchbanks et al., 2002).

Hormonale Kontrazeption und kardiovaskuläre Risiken

Generell besteht bei Einnahme oraler Kontrazeptiva ein sehr geringes kardiovaskuläres Risiko. Das Risiko von OC-Anwenderinnen, einen Myokardinfarkt zu erleiden, beträgt etwa 0,5 je 10 000 Frauenjahre, das Risiko eines Schlaganfalles etwa 1 je 10 000 Frauenjahre. Diese Risiken können jedoch bei jungen gesunden Frauen, insbesondere Teenagern ohne kardiovaskuläres Risiko vernachlässigt werden.

Hormonale Kontrazeption und Blutgerinnung

Ovulationshemmer führen bei prädisponierten Frauen zu einem erhöhten Risiko für Thromboembolien. Bei Jugendlichen werden eigene Thrombosen in der Anamnese sicher eine seltene Ausnahme sein. Jedoch ist die Erhebung der Eigen- und Familienanamnese in Bezug auf ein mögliches Thromboserisiko von erheblicher Bedeutung. Bei entsprechenden Hinweisen empfiehlt sich der Ausschluss einer thrombophilen Diathese. Am häufigsten tritt eine Genmutation im Gerinnungsfaktor V auf. Auch junge Frauen mit heterozygoter Mutation im Faktor-V-Gen haben ein um den Faktor 30, solche mit homozygoter Mutation ein um den Faktor 300 erhöhtes Thromboserisiko. Daher ist bei einer thrombophilen Diathese von hormonellen Kontrazeptiva abzuraten. Auch die Minipille ist hier nicht ohne Risiken, da das Gestagen eine vasokonstriktorische Wirkung zeigen kann.

IUD

Intrauterinpessare gelten wegen des erhöhten Risikos für STDs im Rahmen instabiler Partnerbeziehungen bei Jugendlichen nur als Methode zweiter Wahl. Sie bieten jedoch den wesentlichen Vorteil der Compliance-Unabhängigkeit. Die Verhütungseffizienz ist hoch, und die IUDs können bis zu fünf Jahre in utero verbleiben. Potentielles Risiko der Methode ist die Entwicklung einer „pelvic inflammatory disease“ (PID), deren mögliche Spätfolge der tubaren Sterilität schwerwiegend wäre. Im Gegensatz zu früheren Ergebnissen fand sich aber bei der Reanalyse der Oxford-Studie unter Berücksichtigung möglicher Bias keine signifikante Risikoerhöhung bei IUD-Anwenderinnen gegenüber Frauen, die keine kontrazeptive Methode verwendeten (Buchan et al., 1990). Besonders ermutigend sind die Daten bei dem Levonorgestrel enthaltenden Intrauterinsystem (IUS). Hier wurde im Rahmen der europäischen Multizenterstudie nach drei Jahren ein vermindertes PID-Risiko der IUSAnwenderinnen gefunden, insbesondere bei den unter 25-jährigen Frauen (Toivonen et al., 1991).

Das generelle Verbot von IUD bei nulliparen Frauen ist daher heute nicht mehr gerechtfertigt. Bei beidseits monogamer Beziehung und ohne STD-Risiko durch den Partner können sie eingesetzt werden, wenn zuvor keine Unterleibsentzündungen aufgetreten waren und andere Methoden nicht akzeptiert werden. Die Aufklärung über das mögliche Risiko der PID und deren Spätfolgen sowie die wesentliche Bedeutung einer monogamen Partnerschaft sollte der jugendlichen Patientin verständlich dargestellt werden. Zu beachten ist die häufig erschwerte und schmerzhafte Einlage bei engem Zervikalkanal. Hier muss gegebenenfalls eine adäquate Analgesie erfolgen.

Diaphragma/Kondom

Die Anwendung von Diaphragma oder Kondom ist bezüglich der kontrazeptiven Sicherheit weniger empfehlenswert. Zudem bestehen erhebliche Compliance-Schwierigkeiten, die noch zusätzlich zum Versagen der Methode beitragen, sei es durch die situationsbedingte Nichtanwendung oder durch die Vernachlässigung des rechtzeitigen Aufbringens spermizider Substanzen beim Diaphragma. Da jedoch das Kondom in hohem Maße vor sexuell übertragbaren Krankheiten schützt, ist die zusätzliche Anwendung von Kondomen bei häufigem Partnerwechsel in jedem Fall anzuraten. Hier empfiehlt sich die Kombination von Pille und Kondom.

Notfall-Kontrazeption

Die Aufklärung über Möglichkeiten der Notfall-Kontrazeption ist ein wesentlicher Sicherheitsaspekt für die jugendlichen Patientinnen. Aufgrund der häufigen Spontaneitat erster sexueller Kontakte kann das Wissen um die “Pille danach” wesentlich dazu beitragen, ungewollte Teenager-Schwangerschaften zu verhindern.

(Literatur kann bei der Verfasserin angefordert werden.)

Prof. Dr. med. Cosima Brucker, Universitäts-Frauenklinik Ulm