Fort- und Weiterbildung

Abstracts des Münchener Symposiums für Kinder- und Jugendgynäkologie
Anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Arbeitsgemeinschaft vom 23. bis 25. Oktober 2003, Frauenklinik, Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Johnson & Johnson Lunchsymposium

Dr. med. Francesca Navratil, Zürich

Prävention in der Kinder- und Jugendgynäkologie: Jugendgynäkologische Probleme in der Praxis

Kinder- und Jugendgynäkologie ist weder eine neue Arbeitsrichtung noch ein modischer Versuch, ein zusätzliches Spezialfach zu schaffen. Kinder- und Jugendgynäkologie ist auch keine „Miniatur der Erwachsenengynäkologie“. Gynäkologie im Kindes- und Jugendalter unterscheidet sich von der klassischen Frauenheilkunde durch ihren eigenen Ansatz, bei welchem Wachstum und Entwicklung in somatischer wie in psychischer Sicht im Vordergrund stehen. Diese entscheidenden Faktoren müssen stets in der Beurteilung des jeweiligen klinischen Bildes und der jeweiligen Situation einbezogen werden.

Die Aufgaben der Kinder- und Jugendgynäkologie sind nicht nur kurativer Art, sondern liegen gleichzeitig und vor allem in der Prävention, welche im Neugeborenenalter beginnt und sich über die Kindheit, die Pubertät und die Adoleszenz erstreckt. Es gilt, angeborene Anomalien, aber auch später auftretende Störungen rechtzeitig zu erkennen und die notwendigen diagnostischen und therapeutischen Schritte einzuleiten. Früherkennung ist besonders wichtig, da viele Erkrankungen erst in der Pubertät manifest werden, wenn zum Teil schon irreversible Schäden hervorgerufen wurden. Die klinische Befunderhebung durch eine einfühlsame, altersgerechte Untersuchung, die Deutung der erhobenen Befunde, die Differentialdiagnose und die Indikationsstellung zu notwendigen medizinischen und chirurgischen altersangemessenen therapeutischen Maßnahmen sowie die sehr oft notwendige psychosomatische Betrachtungsweise und psychologische Betreuung erfordern eine fachbezogene Ausbildung und ein spezielles Interesse für das Mädchen und seine Anliegen. Nur so gelingt es, physiologische Abläufe, ihre altersentprechenden Normvarianten und krankhaften Veränderungen richtig zu interpretieren.

In der Jugendgynäkologischen Sprechstunde spielen Aufklärung und Beratung auch im Sinne einer primären Prävention eine wichtige Rolle. Zentral sind vor allem Fragen zu physiologischen Entwicklungsvorgängen im Zusammenhang mit Veränderungen auf der bio-psycho-sozialen Ebene wie zum Beispiel Fragen zur Menstruation, zur Hygiene, Sexualität, Sexualerleben, Sexualverhalten, Kontrazeption, zur ungewollten Schwangerschaft und ihren Folgen im jugendlichen Alter. Der Kern der Jugendsprechstunde ist das Gespräch, das viel Zeit in Anspruch nimmt. Die Bereitschaft dazu muss der Jugendlichen signalisiert werden, und zwar nicht nur auf verbaler Ebene. Schon beim Erstkontakt ist die Haltung der ärztlichen Ansprechperson ausschlaggebend. Die Kinder- und Jugendgynäkologische Sprechstunde kann eine einzigartige Gelegenheit zur primären und sekundären Gesundheitsförderung sein – sie ermöglicht unter anderem:

  • Die Information in Gesundheits- und Entwicklungsfragen
  • Das Erfassen von Risikosituationen
  • Die Prävention von Krankheiten (u. a. durch bessere Hygiene, Ernährung)
  • Die Früherkennung von Anomalien
  • Die Erkennung von Entwicklungsstörungen, die - wenn nicht erkannt - zu schwerwiegenden physischen und psychischen Folgen führen können.

In diesem Sinne ist die Kinder- und Jugendgynäkologische Sprechstunde eine wunderbare Herausforderung und eine ernst zu nehmende Aufgabe. Es geht darum, dem Mädchen, der Jugendlichen zu einer positiven Einstellung zum eigenen weiblichen Körper und zur eigenen Psyche zu  verhelfen mit ihren vielfältigen, sich immer wieder aufs Neue verändernden Facetten, bis die Identifikationsfindung als erwachsene Frau stattgefunden hat.

Dr. med. Francesca Navratil, Päd. & Adol. Gyn., 
Poliklinik der Universitäts-Kinderklinik Zürich