Fort- und Weiterbildung

Abstracts des Münchener Symposiums für Kinder- und Jugendgynäkologie
Anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Arbeitsgemeinschaft vom 23. bis 25. Oktober 2003, Frauenklinik, Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Dr. med. Bärbel Liebezeit, Ulm

Uterusvolumen bei Pubertas Praecox vera:
Bedeutung für Diagnosestellung und Verlaufskontrolle unter Berücksichtigung besonderer Aspekte bei der Beurteilung des kindlichen Uterusvolumens

Einleitung

Das Uterusvolumen der gesunden geschlechtsreifen Frau weist eine erhebliche Streubreite (15-50 ml) auf. Für die Beurteilung des maturen Uterus wird daher weniger das Volumen als vielmehr der Endometriumaufbau (bezogen auf den Zyklustag) herangezogen. Andere Bedingungen finden sich bei der Untersuchung der kindlichen Gebärmutter: Nach Abklingen der Aktivität mütterlicher Geschlechtshormone tritt der Uterus im Säuglingsalter in eine Art Ruhestadium.

Wie von verschiedenen Arbeitsgruppen gezeigt werden konnte, bleibt das Volumen über einen langen Zeitraum (2.-7. Lebensjahr) nahezu konstant. Die Grenzen der Norm sind eng gefasst; eine Standardabweichung in diesem Alter beträgt je nach Studie 0,5-1ml. Aus diesem Grund vertreten zahlreiche Autoren die Ansicht, dass mit dem Volumen ein valider Parameter zur Beurteilung der Pubertätsentwicklung zur Verfügung steht, der insbesondere bei der Abklärung einer pathologischen Pubertätsentwicklung wertvolle diagnostische Hinweise liefert.

Zielsetzung

Die sonographische Bestimmung des Uterusvolumens als nichtinvasive Untersuchung bei Mädchen mit Verdacht auf Pubertas Praecox vera (PPv) hat in den letzten 20 Jahren eine breite Verwendung gefunden. Wir untersuchten die Aussagekraft des Uterusvolumens für Diagnostik und Verlaufskontrolle der Pubertas Praecox vera (PPv) in Relation zu anderen pathologisch veränderten Befunden.

Patientinnen und Methoden

Die Daten von 27 Mädchen mit der gesicherten Diagnose PPv wurden ausgewertet für Wachstumsgeschwindigkeit (WR), Knochenalter (KA), stimulierter LH/FSH-Quotient, Östradiol und Uterusvolumen bei Diagnosestellung sowie unter Therapie mit GnRH-Analoga. Die in der Literatur veröffentlichten Daten über Uterusvolumina in gesunden Kontrollkollektiven wurden zusammengestellt.

Ergebnisse – Referenzwerte

Es stehen nur wenige Daten zur Verfügung, die eine ausreichend genaue Aufteilung nach Alter und Pubertätsstadien aufweisen. Die Frage nach spezifischen Normdaten für verschiedene ethnische Gruppen ist nicht geklärt. Für unsere Auswertung verwendeten wir die Arbeit von Pelzer 1991, welche unter den deutschen Erhebungen die größte Fallzahl und kleinschrittigste Altersunterteilung aufweist.

Altersabhängigkeit des Uterusvolumens auch bei PPv

Nach Regression des neonatal vergrößerten Volumens tritt der Uterus in eine Ruhephase. Ein geringgradiges, kontinuierliches Wachstum zeigt sich bei sorgfältiger Untersuchung bereits im Tanner- Stadium 1 (Bernaschek, 1984). Holm und Mitarb. berichten über eine Korrelation des Volumens mit der Körperhöhe, während Salardi und Mitarb. eine Korrelation von Volumen und Alter bei gesunden Kindern demonstrieren konnten. Tatsächlich lässt sich die Altersabhängigkeit auch bei Mädchen mit einem pathologisch frühen Uteruswachstum nachweisen. In unserem Kollektiv fand sich eine signifikante Korrelation von Alter und Volumen (Korrelationskoeffizient nach Spearman: 0,6; p = 0,003), welche durch Konversion der Volumina in altersentsprechende SDScores vollständig eliminiert wurde (Korrelationskoeffizient: 0,003; p=0,99). Eine Umwandlung in altersadaptierte SD-Scores ist folglich Voraussetzung, um die Abweichung von der Norm beurteilen zu können.

Unterschiede im zeitlichen Auftreten der Volumenzunahme bei physiologischer Pubertätsentwicklung und PPv

Übereinstimmend wird in den meisten Untersuchungen bei Mädchen mit zeitgerechter physiologischer Pubertätsentwicklung etwa zwei Jahre vor Auftreten der ersten äußeren Pubertätszeichen das Einsetzen eines vermehrten Volumenwachstums dokumentiert. Die Hälfte unserer Patientinnen wurde über einige Monate (durchschnittlich fünf Monate) beobachtet, bevor die definitive Diagnose gestellt wurde. Eine signifikante Zunahme des Volumen (> 2 SDS) fand sich hier bei Erstvorstellung (Tanner > B2) nur in 17 %, bei Diagnosestellung in 50 %. Offensichtlich stellt die Volumenzunahme bei der PPv - im Gegensatz zur physiologischen Pubertätsentwicklung - ein eher spätes Zeichen dar.

Bedeutung der Volumenbestimmung für die Diagnosesicherung

Betrachtet man unsere Daten hinsichtlich ihres Beitrags zur Diagnosesicherung der Pubertas Praecox vera (PPv), so fanden wir als frühestes Zeichen eine erhöhte Wachstumsrate. Eine Akzeleration der WR mit Verlassen der Perzentile nach oben ließ sich durchschnittlich vier Jahre vor Therapiebeginn feststellen. In diesem Zeitraum nahm die Körperhöhe im Median um 1,7 SDS zu (entsprechend 0,4 SDS/Jahr). Die Akzeleration erfolgte in 80 % vor dem 5. Geburtstag; fast die Hälfte aller Mädchen wiesen bereits während der Vorsorgeuntersuchungen eine pathologisch erhöhte WR auf.

Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung fand sich eine Wachstumsrate > 2 SDS in 89 %, Knochenalterakzeleration > 1 Jahr in 79 %, stimulierter LH/FSH-Quotient >1 sowie messbares Östradiol in 75%; ein Uterusvolumen > 2 SDS lag lediglich in 68 % vor. Ein normales Uterusvolumen schließt daher die Diagnose PPv keineswegs aus.

Stellenwert der Volumenmessung des Uterus für die Verlaufsbeobachtung der PPv - Bedeutung von Volumenschwankungen unter GnRH-Agonisten-Therapie

Das initiale Ansprechen auf die Therapie sowie das Wiedereinsetzen der spontanen Pubertätsentwicklung nach Ende der Therapie wurde durch signifikante Volumenänderungen verlässlich abgebildet.

Zur Verlaufskontrolle hingegen ist das Volumen von eingeschränkter Bedeutung und muss im Zusammenhang mit anderen Messgrößen beurteilt werden. So ließen sich in unserer Stichprobe in 44% erhebliche Volumenschwankungen ohne entsprechende Veränderung anderer Parameter (Östradiol, Gonadotropine, WR, KA) feststellen.

Schlussfolgerung

Um eine größtmögliche Aussage mittels Volumenmessung zu erzielen, empfehlen wir die Verwendung alters- und pubertätsstadienadaptierter Normwerte, die an einem entsprechend großen Normkollektiv erhoben wurden. Das Volumen ist ein hilfreicher Parameter für Diagnose und Verlaufsuntersuchung bei PPv, muss jedoch stets im Zusammenhang mit weiteren Messgrößen beurteilt werden. Weitere Untersuchungen sind notwendig, um sich exaktere Erkenntnisse über das Wachstum der inneren Geschlechtsorgane zu erschließen.


Abb. 2: Wachstumsgeschwindigkeit bei Mädchen mit Pubertas Praecox vera zum Zeitpunkt der Diagnosestellung (Perzentilen nach Reinken/van Oost).

Dr. med. B. Liebezeit, T. Rupprecht und H.G. Dörr,
Klinik mit Poliklinik für Kinder und Jugendliche der Universität Erlangen-Nürnberg