Fachwissen

An ounce of prevention is better than a pound of treatment:

Möglichkeiten der Vorbeugung in der Kinder- und Jugendgynäkologie (II)

Prof. em. Dr. med. Ch. Lauritzen, Ulm

aus korasion Nr. 1, Februar 2000

In den hoch entwickelten Ländern des Westens werden immer weniger Kinder geboren. Die Geburtenrate liegt weit unter der Sterberate. Kinder und Jugendliche machen nur 19 % der Bevölkerung aus. Die wenigen Kinder, die zur Welt kommen, sind daher für die Eltern, den Staat und die Gesellschaft um so wichtiger und kostbarer.
Die Eltern, die sich zur Schwangerschaft und zur Aufzucht von Kindern entschließen, wünschen deshalb auch mit verständlichem Nachdruck, dass in Gravidität, Kindheit und Jugend soweit wie möglich jedes Gefährdungsrisiko durch eine lückenlose und wirksame ärztliche Versorgung ausgeschlossen werde. Gynäkologie und Geburtshilfe bemühen sich nach Kräften, diesem berechtigten Wunsch soweit wie möglich nachzukommen.

Prävention der infektiös bedingten Sterilität

Die Fähigkeit zu empfangen und zu gebären ist für das Selbstverständnis und die Selbsteinschätzung der Frau und für die Erfüllung eines wesentlichen Bereiches ihres Lebensglücks von hoher Bedeutung.

Infektionen des inneren Genitale der Frau sind eine der wichtigsten Ursachen von Sterilität und ektoper Schwangerschaft. Besonders alarmierend ist die Häufigkeit von Infektionen bei den 15 - 19 jährigen Mädchen. Ein Drittel der Infektionen des inneren Genitale betrifft Jugendliche.

Als häufigste Ursachen von Infektionen infolge sexueller Kontakte kommen Bakterien (Staphylokokken, Streptokokken, Escherichia coli, Chamydien) in Frage, ferner Viren, Pilze und Protozoen (Trichomonaden). Die Erreger führen nicht nur zu Kolpitis, Zervizitis, Endometritis und Adnexitis, sondern beeinträchtigen bei Kinderwunsch teilweise auch die Spermienfunktion bei der Aszension und bei der Befruchtung des Eies.

25 % der Steritlitätsfälle sind allein durch den Tubenfaktor bedingt, 5 bis 10 % jeweils durch Korpus-, Zervix- und Scheidenfaktoren, wobei ebenfalls Infektionen und Entzündungen die Hauptrolle spielen.

Spätestens nach Aufnahme es Geschlechtsverkehrs sollte das Mädchen deshalb regelmäßig einen Gynäkologen mit jugendgynäkologischen Kenntnissen aufsuchen, nämlich zur kontrazeptiven Beratung (beispielsweise zur Verschreibung der “Pille”), aber auch, um Infektionen zu verhüten und frühzeitig zu erkennen. Die Benutzung eines Kondoms hat nicht nur den Vorteil der Verhütung einer unerwünschten Schwangerschaft, sondern auch der Prävention von Unterleibsentzündungen, einschließlich der häufig ursächlich verantwortlichen Chlamydieninfektion als Sterilitätsfaktor. Dies gilt insbesondere für latent verlaufende Adnexitiden. Ein Screening auf Chlamydia trachomatis sollte in der Teenager-Sprechstunde, wenn eine vaginale Untersuchung erfolgt, Routine sein. Neuerdings wird ja übrigens auch die Bedeutung von chronischen Chlamydieninfektionen für den Herzinfarkt diskutiert.

Als noch schwerwiegender sind Herpesbefall, Gonorrhoe, Lues (falls die Infektion nicht früh erkannt und bekämpft wird) und insbesondere natürlich eine HIV-Infektion (AIDS) einzuschätzen. Es muss den potentiell betroffenen Mädchen bewusst gemacht werden, dass die meisten Genitalinfektionen extrem chronisch verlaufen, später die Fruchtbarkeit beeinträchtigen können und dass Virusinfektionen gegenwärtig noch schwer oder gar nicht heilbar sind. Das Kondom für den Mann und - größtenteils auch das Kondom für die Frau - schützt weitgehend vor solchen häufigen Sterilitätsursachen. Diese Tatsache kann den jungen Menschen nicht eindringlich genug klargemacht werden.

Eine Appendizitis ist in über 30 %, ein Schwangerschaftsabbruch in 13 % der tubaren Sterilitäten in der Anamnese nachweisbar. Ich habe meinen Assistenten daher stets eingeschärft, dass sie immer an die Möglichkeit einer oft symptomatisch atypischen, manchmal schwer diagnostizierbaren Appendizitis denken müssen.

Die Entstehung des Zervixkarzinoms ist wesentlich mitbedingt durch frühzeitigen und häufig wechselnden Geschlechtsverkehr, d. h. durch chronische Infektionen und Virusbefall (HPV) der Zervix. Bei 23 % der sexuell aktiven Studentinnen lässt sich eine HPV-Infektion nachweisen. Solche Infektionen sind häufig und können durch mechanischen Schutz (Kondom) mit großer Sicherheit verhindert werden.

Auch Rauchen ist ein Risikofaktor für die Entstehung des Zervixkarzinoms, da die krebserzeugenden Stoffe, die im Zigarettenrauch enthalten sind, im Zervixschleim konzentriert ausgeschieden werden und die möglichen Zellschäden durch eine vielleicht schon vorhandene HPV-Infektion weiter verstärken.

Auf den Einfluss des Rauchens auf die Fruchtbarkeit wird später eingegangen.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat in Zusammenarbeit mit externen Fachleuten die Broschüre “Ach, übrigens...” mit Informationen über sexuell übertragbare Erkrankungen (Bestell-Nr. 70410000) herausgegeben, die das Ziel hat, den Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten zu verbessern. Diese Broschüre richtet sich an die erziehungsberechtigten Erwachsenen. Die Broschüre “Pssst” (Bestell-Nr. 13090000) zum gleichen Thema wurde für Jugendliche erstellt.

Osteoporose-Vorbeugung

Die maximale Knochenmasse wird bei Mädchen um das 20. Lebensjahr erreicht. Um ein Optimum an Knochenmasse und damit an Belastungs- und Bruchfestigkeit zu erreichen, ist eine ausreichende Versorgung mit Kalzium und Vitamin D in Kindheit und Adoleszenz erforderlich. Das Erreichen einer genügenden Knochenmasse setzt aber auch eine normale Ovarialfunktion voraus, die das rechtzeitige Eintreten der Pubertät und das Ausbleiben von Amenorrhoe-Episoden gewährleistet.

Da das Fettgewebe eine wichtige Rolle im Hormonstoffwechsel spielt, ist auch ein ausreichend ausgebildetes Fettgewebe von 18 bis 20 % der Gesamtkörpermasse erforderlich. Eine Verminderung des Fettgewebes findet man vor allem nach Hungerkuren und im Rahmen eines Krankheitsbildes der Anorexie.

Liegt die um das 20. Lebensjahr erzielte Masse an Knochen zu niedrig, also unterhalb der Normschwankung, so kann es zu einer juvenilen Osteopenie mit der Gefahr von Spontanfrakturen schon im Jugendalter bei Unfällen oder beim Sport oder zu einer frühen Osteoporose mit all ihren Folgen schon im mittleren Frauenalter kommen. Die Prävention der Osteoporose, auch der senilen Osteoporose, beginnt daher im jugendlichen Alter. Das heißt: eine Osteoporose ist häufig Folge einer “Kinderkrankheit”. Hauptursachen der juvenilen Osteopenie sind eine Unterversorgung mit Kalzium und Vitamin D sowie ein Östrogenmangel, der als primäre Amenorrhoe, als Spätpubertät, als Spätmenarche bzw. mit Zyklusstörungen und Amenorrhoe-Episoden während Pubertät und Adoleszenz symptomatisch ist.

Die Kalziumversorgung liegt nach den Ergebnissen von Querschnittsuntersuchungen an 4- bis 18jährigen Mädchen um 20 bis 40 % unter der erforderlichen Menge. Es besteht somit auch ein direkter Zusammenhang zwischen einer unzureichenden Kalziumzufuhr in jungen Jahren und einer Osteoporose im Erwachsenenalter. Insbesondere findet sich ein direkter Zusammenhang zwischen dem Milchkonsum bis zum 25. Lebensjahr und der späteren maximalen Knochenmasse des Femur: Höherer Milchkonsum ist auch mit höherer Knochenmasse am Hüftkopf verbunden.

Bei Untersuchungen in der Ulmer Universitäts-Frauenklinik zeigte sich, dass Frauen, die die Menarche erst nach dem 17. Lebensjahr hatten, fast doppelt so häufig eine Osteoporose hatten (22 %) wie Frauen mit Eintritt der Menarche bis zum 14. Lebensjahr (12 %). In der Gruppe von Frauen mit verminderter Knochendichte über 100 % hatten dreimal häufiger ihre Menarche bis zum 12. Lebensjahr als jene mit einer Knochendichte bis 80 % (21 % versus 6 %).

Aus diesen Untersuchungen geht eindeutig hervor, dass der Frauenarzt die verspätet eintretende Menarche nicht ignorieren darf. In solchen Fällen wird man Knochenerkrankungen bzw. schwerwiegende organische Ursachen ausschließen, die Versorgung mit Kalzium und Vitamin D überprüfen, die Knochendichte feststellen und versuchen, die Menarche mit unspezifischen Verfahren (Hyperämisierung, Moorbäder, einmalige Östrogen-Gestagen-Gabe) zu induzieren. Stellt sich die Regel spätestens bis zum Beginn des 15. Lebensjahres nicht ein, so sollte man intermittierend mit Östrogen-Gestagen-Kombinationen substituieren.

Vernünftige sportliche Aktivität erhöht die Knochenmasse. Bei unzureichender körperlicher Bewegung oder bei krankheitsbedingter Unbeweglichkeit ist die vorbeugende Behandlung daher besonders wichtig. Die ausreichende Zufuhr von Kalzium (1 500 mg pro Tag) und Vitamin D (400 IE/Tag = 10 µg) verhindert bzw. verzögert die Entstehung einer Osteoporose. Ebenso wichtig ist die Empfehlung einer für die Person adäquaten sportlichen Betätigung.

Die in Teil I angesprochene übertriebene, also überanstrengende, unmäßig mit Stress belastende sportliche Betätigung kann hingegen zu einem Östrogen-Gestagen-Mangel mit Zyklusstörungen bis hin zur Amenorrhoe führen. Dadurch kommt es bei der eminenten Bedeutung der Östrogene für den Kalziumstoffwechsel und den Aufbau des Skeletts zur Kalziumverarmung des Skeletts und zu einer Osteopenie.

Die Versorgung mit Kalzium und Vitamin D ist, wie gesagt, bei einem Teil unserer Jugend unzureichend (vor allem aufgrund einer ungenügenden Versorgung mit kalziumreicher Nahrung, d. h. Milch und Milchprodukte). Zusätzlich wirken sich die erhöhte Zufuhr phosphatreicher Nahrungsmittel (Süßigkeiten, Softdrinks, Fast food) sowie unsinnige Hungerdiäten nachteilig aus. Bei Unverträglichkeit von Milcheiweiß ist die exogene Zufuhr von Kalzium und Vitamin D erforderlich.

Jede Art des Östrogenmangels, meist als primäre oder sekundäre Amenorrhoe symptomatisch, führt zur Oseopenie. Bei jeder Amenorrhoe, die länger als ein halbes Jahr andauert, sollte daher mit Hormonen substituiert werden, wenn sich der Zyklus durch andere Maßnahmen nicht in Gang bringen lässt. Eine Abnahme der Knochendichte von mehr als 8 % ist meist nur sehr schwer wieder auszugleichen.

Ursachen einer Osteopenie können ferner eine Unterernährung infolge Magen-Darm-Störungen sein, zudem ein Hyperparathyreoidismus, ein Morbus Addison sowie Schilddrüsendysfunktion oder genetische Anomalien, beispielsweise eine Anomalie des Vitamin-D-Rezeptors.

Trotz der Bejahung vernünftiger sportlicher Betätigung sollte der beratende Arzt doch vor jeder Übertreibung warnen. Ganz abgesehen davon ist zu beachten, dass Übertreibungen manchmal auf psychische Probleme hinweisen.

Intensivtraining und Intensivsport betreibende junge Frauen, die die kontrazeptive “Pille” einnehmen, sind allerdings vor Osteoporose (auch durch die niedrig dosierte “Mikropille”) geschützt, wenn die Kalzium- und Vitamin-D-Zufuhr ausreichend ist. Die “Pille” kann auch bei Amenorrhoe ohne spätere nachteilige Folgen für den Zyklus oder die Fruchtbarkeit verordnet werden.

Prävention durch Impfungen

Auf die Bedeutung von Impfungen gegen Poliomyelitis, Mumps, Röteln, Hepatitis A und B in der Adoleszenz, auf jeden Fall vor der Realisierung eines Kinderwunsches sei mit Nachdruck hingewiesen. Eine optimale Möglichkeit, diese Impfungen zu empfehlen und durchzuführen, ist die Erstberatung der jungen Mädchen bei Verschreibungen der kontrazeptiven “Pille”. Leider ist in Deutschland trotz intensiver Bemühungen der Kinder- und Frauenärzte, der Allgemeinärzte sowie Internisten eine gewisse Impfmüdigkeit zu verzeichnen. Dies hat dazu geführt, dass Deutschland, was die Durchimpfungsraten (z. B. für Diphtherie, Tetanus, Poliomyelitis) betrifft, zu einem infektepidemiologischen Entwicklungsland zu werden droht. Daher ist die kürzlich gestartete gemeinsame Impfaktion der Gesellschaften für Gynäkologie und Immunologie zu begrüßen.

Es gibt zu diesem Thema eine große Anzahl kompetenter Veröffentlichungen. Anzumerken ist ferner, dass auch Impfungen gegen HPV und Herpes in den nächsten Jahren verfügbar sein werden. Eine HIV-Impfung ist hingegen noch nicht abzusehen.

In diesem Zusammenhang sei zudem darauf hingewiesen, dass die Vitamine A, C und E sowie das Spurenelement Zink das Immunsystem stimulieren.

Präventionsmöglichkeiten mit der kontrazeptiven “Pille”

Die Bedeutung der sicheren Empfängnisverhütung für die Befreiung der Frau von Fortpflanzungszwängen, d. h. für die Emanzipation der Frau, für die Ungezwungenheit ihrer Daseinsplanung, insbesondere ihrer Berufstätigkeit sowie für die Wohlfahrt der geplanten Familie ist unbestritten. Die Mehrzahl der jungen Frauen wählt unter den verfügbaren Kontrazeptiva die “Pille”, d. h. ein modernes, niedrig dosiertes, orales hormonales Kontrazeptivum (OC) mit ovulationshemmender Wirkung. Die “Pille” kann jungen Mädchen ab 14 Jahren verabreicht werden und schützt sie effektiv vor einer unerwünschten Schwangerschaft, zumeist ohne unerwünschte subjektive Symptome und ohne bedenkliche Nebenwirkungen hervorzurufen. Die kontrazeptive Sicherheit ist hoch, selbst wenn man die relativ große Unzuverlässigkeit bei der Einnahme in dieser Altergruppe berücksichtigt. Wie oben vermerkt, haben 10 % der Adoleszentinnen bereits mit 14 Jahren Verkehr; mit 15 Jahren sind es 25 % und mit 17 Jahren 60 %. Eine unzeitige Schwangerschaft hat in diesem Alter aber besonders verheerende Folgen für das zukünftige Leben der Betroffenen. An dieser Stelle soll jedoch nicht verschwiegen werden, dass es - wenn auch sehr selten - ernste Komplikationen unter der Einnahme einer “Pille” geben kann. In letzter Zeit wurde aufgrund neuer Untersuchungsergebnisse insbesondere das Thromboembolie- und das Schlaganfall-Risiko erörtert. Es sei daher auf die Wichtigkeit der sorgfältigen Ermittlung von diesbezüglichen Risikofaktoren zum Zwecke der Prävention ernster Nebenwirkungen hingewiesen. Durch die gezielte Erhebung der Eigen- und Familienanamnese sind allerdings bis zu 80 % aller Risiken für die Entstehung einer Thrombose erkennbar, so dass anderenfalls eine weitere Abklärung veranlasst werden kann (z. B.: APC-Resistenz, Faktor V-Leiden).Übergewicht, Varikosis, Rauchen und erhöhter Blutdruck sind Risikofaktoren hinsichtlich der Entstehung von Thrombose und Embolie. Damit ist die Zielrichtung vorbeugender Beratung und praktischer präventiver Maßnahmen angegeben.

Das Risiko der Entstehung eines Mammakarzinoms vor dem 40. Lebenjahr scheint bei jungen Frauen, die vor dem 21. Lebensjahr und vor der ersten Schwangerschaft orale hormonale Kontrazeptiva über mehrere Jahre eingenommen haben, gering erhöht zu sein (relatives Risiko [RR]: 1,55). Für Brustkrebs vor dem 30. Lebensjahr beträgt das relative Risiko wahrscheinlich 1,27. Ob diese relative Risikoerhöhung jedoch tatsächlich besteht, scheint nicht sicher zu sein.

In der Laienpresse wurde jedoch über mögliche subjektive und objektive Nebenwirkungen der “Pille” so häufig und so häufig auch falsch berichtet, dass allein schon dadurch große Verunsicherung bei Ärzten und Frauen erzeugt wurde. Tatsächlich ist jedoch die Bedeutung von Nebenwirkungen bei Anwendung der modernen Präparate gering. Viel zu wenig bekannt sind dagegen die zahlreichen vorteilhaften zusätzlichen Wirkungen der kontrazeptiven “Pille”. Denn die “Pillen” bewirken - neben der Verhütung - die Normalisierung von Zyklusanomalien, die Besserung von Seborrhoe, Akne und Hirsutismus (vor allem bei der Kombination von Ethinylestradiol mit einem Antiandrogen), ferner aber auch die Reduktion der Häufigkeit verschiedener Karzinome. Diese Schutzwirkungen klingen erst im Verlaufe von zehn Jahren nach Absetzen der “Pille” allmählich wieder ab. Auch hinsichtlich einer Chlamydien-Infektion haben die oralen hormonalen Kontrazeptiva einen Schutzeffekt. Sie behindern nämlich die Aszension der Keime über die hormonale Beeinflussung des Zervixschleims (Verdichtung des Schleimpfropfes) und schützen dadurch vor postinfektiöser Infertilität.

Der wichtigste Vorteil der kontrazeptiven “Pille” ist aber eine weitgehende Verhütung von Endometrium-, Ovarial-, Brust- und Dickdarmkrebs während der Einnahme sowie auch in den etwa zehn folgenden Jahren nach Absetzen der “Pille”. Lediglich eine Gruppe von Adoleszentinnen und jungen Frauen, die noch nicht schwanger waren, haben - wie oben erwähnt - womöglich ein gering erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Mammakarzinoms. Die Vorteile der “Pille” sollten bei der Auswahl der kontrazeptiven Methode nicht außer acht gelassen werden. Mädchen und Frauen, die die “Pille” einnehmen, sollten jedoch nicht rauchen: Im Alter zwischen 15 und 24 Jahren ist die Sterblichkeit von Mädchen und jungen Frauen mit und ohne “Pillen”-Einnahme zwar fast gleich Null, Raucherinnen (mehr als zehn Zigaretten pro Tag) weisen jedoch ansonsten - auch in jungen Jahren - eine bis zu zehnfach höhere aktuelle Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf.

Krebsepidemiologie und Krebsneigung

Die Zahl der Krebskranken steigt ständig an, nämlich jährlich um 1 bis 2 %. Zehn Millionen Menschen erkranken pro Jahr weltweit an Krebs; sechs Millionen sterben an ihrem Karzinom. Die Ergebnisse der Krebstherapien sind hingegen noch immer unbefriedigend. Erhebliche Geldmengen und Forschungsbemühungen werden in die Therapieforschung investiert, ohne dass wesentliche Fortschritte erzielt wurden. Man sollte sich daher vordringlich den Möglichkeiten der Vorbeugung von Krebs zuwenden.

Während Pubertät und Adoleszenz macht - unter dem Ansteigen zahlreicher Hormone und Wachstumsfaktoren - das rasche Wachstum der Genitalorgane und der Brüste, das mit einer starken Zunahme an Mitosen und vermehrter Zellpermeabilität verbunden ist, die Zielorgane der Hormone für krebserzeugende Reize besonders anfällig. Die Krebshäufigkeit und die Sterblichkeit der weiblichen Bevölkerung an Brust- und Gebärmutterkrebs wird tatsächlich vielfach schon im frühen Jugend-, Adoleszenten- und Erwachsenenalter begründet und festgelegt, ehe nämlich die Stabilität der Mammae und der Genitalorgane gegenüber exogenen, karzinogen wirksamen Noxen durch die erste voll ausgetragene Schwangerschaft und eine ausreichend lange Laktation (1/2 Jahr) hergestellt wurde.

Die vererbte Krebsneigung spielt mit etwa 5 % aller anderen Fälle eine eher geringe Rolle.

Krebsursachen

Krebs ist noch immer die am meisten gefürchtete Erkrankung. In der Jugend dankt man jedoch gewöhnlich nicht an die Erkrankungen des Erwachsenenalters und daran, dass die meisten späteren Erkrankungen schon in der Jugend angelegt werden.

Die hauptsächlichen Karzinogene sind Schadstoffe aus der Umwelt und der Nahrung. Diese Substanzen schädigen vor allem die DNS. Zu 70 % handelt es sich um Umweltgifte, d. h. Pestizide, Herbizide, Industriegifte, Lösungsmittel, Teer sowie um Wohnraumgifte (Formaldehyd, Lindan, Asbest), Ozon, ionisierende Strahlen (Grenzwert: 0,3 mSv/a = 30 mrem/sa), Substanzen aus denaturierten, gegrillten und gepökelten Speisen, Nitrite-Nitrosamine (werden durch Vitamin C unwirksam gemacht), Mykotoxin und Endotoxin (Schimmel), Dioxin und andere Karzinogene aus der Nahrung. Von Bedeutung sind aber auch gesättigte und gehärtete Fette, das Chlor im Trinkwasser (Blasen-, Nierenkarzinome), ferner Viren, Alkohol und Tabak. Hinzu kommen endogene Faktoren; als Promotoren der Krebsentstehung und -entwicklung sind insbesondere anzusprechen: Übergewicht, Hyperinsulinämie, Diabetes mellitus, metabolisches Syndrom. Und nicht zuletzt spielt das reproduktive Verhalten eine Rolle.

Schon Säuglinge und Kleinkinder sind betroffen: In der Muttermilch finden sich u. a. polychlorierte Kohlenwasserstoffe und Dioxin, in der Kindernahrung Insektizide , im Trinkwasser Chlor und Schwermetalle.

Die Minderung bzw. Vermeidung von Instriegiften, von ionisierenden Strahlen und von Karzinogenen in Speisen ist demnach ein vordringliches Anliegen der individuellen und öffentlichen Prävention. Auf diesem Gebiet muss auch die Grundlagenforschung zur Krebsentstehung und -vorbeugung künftig viel intensiver ansetzen.

Krebsvorbeugung durch Ernährung

Eine mögliche Krebserkrankung erscheint den jungen Mädchen so weit in der Zukunft, dass es schwer sein kann, sie für vorbeugende Maßnahmen zu motivieren. Man muss ihnen und den Eltern, die ja mindestens bis zur Adoleszenz für die Ernährung ihrer Kinder verantwortlich sind, klarmachen, dass die Grundlagen für eine Krebsentstehung häufig bereits in der Jugend gelegt werden.

Krebsvorbeugung ist nicht nur durch Meidung von Schadstoffen und Genussgiften möglich, sondern auch durch eine Diät, die arm an tierischen Fetten ist und Überernährung vermeiden hilft:

Die Fettzufuhr soll sich auf weniger als 30 % der Gesamtenergiezufuhr beschränken und dabei zu höchstens 1/3 aus gesättigten Fettsäuren bestehen. Das Verhältnis der Omega-6- zu den Omega-3-Fettsäuren sollte anstelle von 8 : 1 (wie derzeit empfohlen) besser nur 5 : 1 betragen. Omega-6-Fettsäuren (z. B. Linol- und Arachidonsäure) sollen das Krebsrisiko über die vermehrte Bildung des Gewebehormons Prostaglandin E2 erhöhen. Sie stimulieren das Mammakarzinom-Wachstum und die Metastasenbildung. Langkettige Omega-3-Fettsäuren (z. B. konjugierte Alpha-Linolen-, Eicosapentaen- und Docosohexansäure) sollen dagegen das Risiko für Krebserkrankungen (z. B. das Prastatakarzinom) mindern, und zwar nicht nur über eine Hemmung der Prostaglandinbildung), sondern auch über eine Stimulierung des Immunsystems.
Dorsch-Fischöl senkt aufgrund seines Gehalts an Omega-3-Fettsäuren, einfach ungesättigten Fettsäuren und Vitamin A die Inzidenz von Lungenkrebs beim Menschen auf eine relatives Risiko von 0,5.
Im Tierversuch konnte mit Olivenöl die Zahl der durch das Karzinogen Mehylanthrazen induzierten Mammakarzinome um 30 % gemindert werden.
Es ist daher nicht zu fetter Fisch - ein- bis zweimal in der Woche - anzuraten. Auch sollte in der täglichen Nahrung weißes Fleisch (Huhn, Truthahn) gegenüber rotem Fleisch bevorzugt werden (Internationale Konferenz “Krebs und Ernährung”, Stuttgart, 1999).Die Nahrung soll ferner reich an faserreichen Füllsubstanzen (mindestens 25 %) sein, da deren Inhaltsstoffe zum Teil bestimmte Enzymkonzentrationen bzw. -aktivitäten (Ornithin-Decarboxilase, Thymidinkinase und b-Glukuronidase) steigern und als Radikalenhemmer wirken. Pflanzen enthalten - soweit bisher bekannt ist - etwa 10 000 solcher Heil- und Regulationsstoffe mit gesundheitsfördernder Wirkung (siehe auch Sekundärstoffe in der Nahrung).

Die Bedeutung krebspräventiv wirksamer Nahrungsmittel sollte dringend weiter geklärt werden, damit entsprechende Erkenntnisse möglichst bald in die praktischen Anweisungen der Ärzte eingehen können.

Die diesbezügliche Wirksamkeit von bestimmten Nahrungsmitteln bzw. von deren Inhaltsstoffen ist aber bereits soweit gesichert, dass ich dazu übergegangen bin, meinen Klientinnen diätetische Empfehlungen nach den angegebenen Grundsätzen zu geben und ein Multivitamin-Selen-Präparat als Zusatzmedikation zu empfehlen.

Sekundärstoffe in der Nahrung

Man weiß heute, dass viele Nahrungsmittel sog. Sekundärstoffe enthalten, die Radikale neutralisieren und krebshemmend wirken.

Genannt seien insbesondere die pflanzlichen Isoflavone und Lignane. Sie mindern offenbar die Häufigkeit von Endometrium- und Mammakarzinomen. Sie sind u. a. in Roggenbrot, Kleie, Knäckebrot und besonders konzentriert in Soya enthalten.

Die Substanz Lycopin, der rote Farbstoff in Tomaten, Hagebutten, Wassermelonen und rosa Grapefruits, ist ein starkes Antioxidans. Die das Krebsrisiko senkende Wirkung von Lycopin ist hinsichtlich der Speiseröhren-, Magen-, Dickdarm-, Pankreas- und Lungenkarzinome besonders gut belegt. Wahrscheinlich trifft diese Wirkung aber auch hinsichtlich der Brust- und Endometriumkarzinome zu.

Aufgrund der Auswertung von 72 Arbeiten aus der internationalen Literatur bestätigten Krebsforscher der Harvard University in Boston, dass durch den langzeitigen Verzehr von Tomaten der Entstehung von Krebs vorgebeugt werden kann (J. Natl. Cancer Inst., 1999).
Radikalenhemmer sind ferner Carotin, Xantophyll und Isopren aus Karotten und Salaten, die Indole aus Gemüsen, die Isothiocyanate aus dem Rettich, die Inhaltsstoffe des Ingwer und die Sulfide aus Knoblauch und Zwiebeln. Grüner Tee wirkt nach Untersuchungen des Karolinska-Instituts in Stockholm und der University of Cleveland aufgrund des Gehalts an Catechinen über eine Regulation des Zellzyklus, über die Hemmung von Enzymen sowie über die Auslösung von Apoptosen krebsverhütend. Die Teilung entarteter Zellen wird arretiert, wie bisher für das Lungen-, das Speiseröhren-, das Prostatakarzinom und für Metastasen nachgewiesen werden konnte. Häufiger Verzehr von Zwiebeln soll das Risiko für Magenkrebs reduzieren. Entsprechende Untersuchungsergebnisse hinsichtlich der Prävention des Mammakarzinoms liegen auch für Brokkoli vor. Vermutlich mindern aber alle Kreuzblütler (Schotengemüse, Kohl, Radieschen, Rettich, Kresse u. a.) das Mammakarzinom-Risiko. Tomaten beugen übrigens - ebenso wie grüner Tee - auch dem Herzinfarkt vor. Antikarzinogene Wirkungen erzielt man auch mit einer Soya-haltigen Diät. Durch Inhaltsstoffe wie Daidzein, Genistein und andere wird in vitro das Wachstum von Prostata- und Mammakarzinom-Zellen gehemmt. Inzwischen liegen aber auch günstige klinisch-epidemiologische Ergebnisse über eine Risikominderung für das Mammakarzinom vor.

Vitamine und Spurenelemente

Der krebsvorbeugende Einfluss von einigen Vitaminen und Spurenelementen beruht überwiegend auf deren antioxidativer Wirkung: Die durch Einwirkung exogener Schadstoffe anfallenden zell- und gewebeschädigenden freien Radikale werden gehemmt. Ist der Körper nicht in der Lage, die freien Radikale unschädlich zu machen, so kommt es u. a. zur Zerstörung von Zellmembranen und DNS und damit unter Umständen zur Krebsentstehung.
Experten empfehlen grundsätzlich auch gesunden Menschen die zusätzliche exogene Zufuhr von Vitamin-, Spurenelement- und Mineralstoff-Dosen, die höher sind als man sie mit der Nahrung zuführen kann. Dies erscheint erforderlich, weil so hohe Mengen an Radikalen aus der Umwelt auf den menschlichen Organismus einwirken, dass sie durch die normalen körpereigenen Abwehrmechanismen nicht mehr bewältigt werden können. Zur Krebsvorsorge bzw. zur Behandlung bei Krebs sollten diese Dosen also deutlich höher angesetzt werden als in den Empfehlungen der Ernährungsberater oder der Fachgesellschaften. Nach Aussage der nationalen Krebsgesellschaft der USA könnten 30 bis 90 % aller Krebsarten unter einer solchen Zusatzversorgung verhütet werden (Quinlin). Insbesondere kann mit der Kombination von Betacarotin, Vitaminen B6, C und E sowie Selen der Entstehung einer Reihe von Krebstumoren vorgebeugt werden. Solche Kombinationspräparate sind in Apotheken und Drogerien rezeptfrei erhältlich.

Die Bedeutung der präventiv wirksamen Substanzen sollte dringend weiter abgeklärt werden, um noch solidere Daten zu erarbeiten und die Prävention auf eine sichere Grundlage zu stellen.

Die Vermeidung der genannten Karzinogene und der krebsfördernden Stoffwechsel- und Lebensstilfaktoren ist sicherlich ebenso wie eine Prophylaxe durch Nahrungsauswahl in Verbindung mit der hochdosierten Zufuhr von Vitaminen und Spurenelementen ohne größere Umstände realisierbar und ohne bedenkliche Nebenerscheinungen in einem hohem Prozentsatz im Hinblick auf eine Reihe von Krebsen verschiedener Lokalisation präventiv wirksam. Die Befolgung dieser Erkenntnisse muss daher das Ziel individuellen Verhaltens und öffentlicher, umweltpolitischer und gesundheitserhaltender Bestrebungen sein.

Da die richtige Ernährung offenbar eine so maßgebende Rolle spielt, sollten die gegenwärtig verfügbaren, gesicherten Erkenntnisse baldmöglichst allen Ärzten und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und in die praktischen Empfehlungen eingehen.

Zyklusstörungen und Karzinogenese

Zyklusstörungen (PCO, langdauernde Lutealinsuffizienz) stellen ein gering erhöhtes Risiko für die Entstehung von Mamma- und Endometriumkarzinom dar. Dies gilt auch für eine langzeitige Östrogensubstitution ohne Gestagenzusatz, beispielsweise beim Ullrich-Turner-Syndrom. Meines Erachtens ist das Phänomen “Zyklusstörungen bei Lutealinsuffizienz” für die Krebsentstehung jedoch von nur geringer Bedeutung und vielmehr in Beziehung zu setzen mit dem Alter bei der ersten Schwangerschaft. Denn die erste Gravidität wird bei Zyklusstörungen bzw. nach einer Sterilitätsbehandlung (die auch als Risikofaktor gilt) im allgemeinen später einzutreten.

Verfasser:

Prof. em. Dr. med. Ch. Lauritzen
Ulm