Fachwissen
Klinische, endokrinologische und molekulargenetische Befunde bei PatientInnen mit 17b-Hydroxysteroid-Dehydrogenase-3-Defekt
Wiebke Twesten
aus korasion Nr. 2, Mai 2001
Die 17b-Hydroxysteroid-Dehydrogenase-3 (17b-HSD-3) ist bei Knaben das Schlüsselenzym im Hoden für die Bildung von Testosteron aus Androstendion. Ist dieses Enzym defekt, resultiert bei Kindern mit männlichem Kerngeschlecht eine schwere Virilisierungsstörung.
Wir untersuchten fünf PatientInnen mit weiblichem bzw. nahezu weiblichem Phänotyp bei männlichem inneren Genitale und 46,XY-Karyotyp: Bei zwei Kindern kam es zum Zeitpunkt der zu erwartenden Pubertät zu deutlichen Virilisierungszeichen mit ausgeprägter Klitorishypertrophie. Androstendion (A) und Testosteron (T) wurden basal und nach Stimulation mit humanem Choriongonadotropin (5 000 IE hCG/m²) im Serum bestimmt. Die Werte für A und T vor und nach hCG-Stimulation schwankten je nach Lebensalter der Betroffenen stark. Allerdings war der Anstieg von T nach hCG-Gabe bei allen PatientInnen unzureichend (< 1 ng/ml). Der Anstieg von A dagegen war stärker ausgeprägt, so dass der Quotient aus A und T (A/T-Quotient) in allen Fällen > 1 lag und daher als pathologisch anzusehen war. Es wurde daraufhin eine molekulargenetische Untersuchung im Hinblick auf das Gen, das für die 17b-HSD-3 kodiert und auf Chromosom 9 liegt (9p22), durchgeführt. Die gesamte Kodierungsregion des 17b-HSD-3-Gens wurde mittels Polymerase-Kettenrekation (PCR), SSCP(singlestrand conformation polymorphism)-Analyse und direkter Sequenzierung analysiert und ergab bei allen PatientInnen eine homozygote Veränderung oder zwei relevante heterozygote Mutationen. Bei vier der fünf untersuchten PatientInnen zeigte sich die gleiche Mutation im Intron 3 (325+4, A --> T). Die Betroffenen waren deutscher Abstammung und nicht miteinander verwandt. Daraus wurde geschlossen, dass die Mutation 325+4, A --> T unter deutschen PatientInnen mit 17b-HSD-3-Defekt gehäuft auftritt.
Zusammenfassung:
Die vorliegende Studie belegt, dass der 17b-HSD-3-Defekt bei Intersexualität von Kindern mit 46,XY-Chromosomensatz und unzureichendem T-Anstieg nach hCG-Gabe ein wichtiges differentialdiagnostisches Kriterium ist: Neben T sollten A und der A/T-Quotient bestimmt werden. Ist A/T > 1, besteht der hochgradige Verdacht auf einen 17b-HSD-3-Defekt. Dann steht die molekulargenetische Analyse als zuverlässiges diagnostisches Hilfsmittel - insbesondere bei unklaren Hormonbefunden - zur Verfügung.
Verfasserin (Kurzfassung):
Wiebke Twesten
Lübeck