Fachwissen

Maligne Ovarial- und andere Tumoren bei Jugendlichen:

Wie kann möglicherweise die Fertilität bei Chemotherapien und/oder Radiotherapien erhalten werden?*

G. Tscherne

aus korasion Nr. 2, September 2004

Die Behandlung bei bösartigen Erkrankungen mittels Chemotherapien und Radiotherapien hat die Überlebenschancen von Mädchen und jungen Frauen drastisch verbessert. Mögliche gravierende Nebeneffekte dieser onkologischen Strategien sind jedoch der Verlust der Ovarialfunktion und damit der Fertilität. Dementsprechend sind Bemühungen in Richtung auf Erhaltung der reproduktiven Funktion eine besondere Aufgabe geworden.

Zur Erhaltung der Ovarialfunktion stehen verschiedene Strategien zur Verfügung. Insbesondere bieten sich auch eine Reihe neuerer Techniken an. Diese Techniken sind zwar viel versprechend, aber noch nicht vollauf zu qualifizieren, da es noch keine Langzeitdaten gibt. Mittlerweile liegt eine große Anzahl von aktuellen, zum Teil umfangreichen Publikationen, d.h. Studien sowie Kasuistiken zur Thematik vor. Das Ziel ist eine optimale Behandlung und Betreuung der betroffenen Patientinnen unter besonderer Berücksichtigung ihres jugendlichen Alters und eine adäquate kompetente Information der Betroffenen und ihres Umfeldes, um den Jugendlichen die Verkraftung ihres persönlichen Schicksals auf mentaler Ebene zu erleichtern.

Wie häufig sind maligne Ovarialtumoren?

Maligne Ovarialtumoren sind im Jugendalter selten. Eine Übersicht über die bösartigen gynäkologischen Tumoren an der Universitäts-Frauenklinik Graz, einer Klinik mit onkologischem Schwerpunkt, weist für den Zeitraum von 20 Jahren (1970 bis 1990) 15 bösartige Ovarialtumoren bei Patientinnen im Alter bis zu 19 Jahren aus; insgesamt waren es 975 bösartige Ovarialtumoren.

Die Verteilung der Tumoren im Jugendalter deckt sich mit der in einer Sammelstatistik von bösartigen Ovarialtumoren in der Adoleszenz (Alter jünger als 20 Jahre) mit insgesamt 1 846 Fällen: In 61,5% handelte es sich um Keimzelltumoren, in 20% um epitheliale Tumoren und in jeweils weit geringerer Häufigkeit um andere Tumoren. Gerade im Hinblick auf die relative Seltenheit maligner Ovarialtumoren im Jugendalter ist es wichtig und wertvoll, multizentrische Studien zur Therapie bei derartigen Tumoren – insbesondere bei Keimzelltumoren – durchzuführen, um adaptierte Behandlungsstrategien anhand deren Effizienz beurteilen zu können. Als Beispiel sei die MAKEI-Studie in Deutschland angeführt.

Wenn man sich um die Erhaltung der Ovarialfunktion bzw. der Fertilität bei Chemotherapien und Radiotherapien junger Patientinnen bemüht, so nicht nur im Zusammenhang mit den seltenen malignen Ovarialtumoren, sondern auch mit Blick auf die bösartigen Tumoren anderer Organe und die systemischen malignen Erkrankungen wie Hämoblastosen und Leukämien.

Voraussetzungen zur Erhaltung der reproduktiven Funktion

Voraussetzung einer adäquaten Therapie bei jungen Patientinnen unter dem Aspekt der Erhaltung der Ovarialfunktion und der Fertilität ist eine exakte Diagnosestellung. Bildgebende Verfahren wie Sonographie, Computertomographie und Magnetresonanztomographie haben diesbezüglich wesentliche Fortschritte gebracht, ebenso verschiedene Laborparameter. Unumgänglich sind ferner eine prätherapeutische Einschätzung und ein intraoperatives Staging und Grading. Das heißt: Man braucht Institutionen mit entsprechender Ausstattung und Kliniken mit onkologischen Schwerpunkten und Erfahrungen. Vor allem jugendliche Patientinnen sollten in derartigen Zentren behandelt werden, um optimale Ergebnisse möglich zu machen.

Bei der Therapie bösartiger Erkrankungen im Jugendalter ist selbstverständlich der kurative Ansatz in den Vordergrund zu stellen, d.h. Heilung muss das primär angestrebte Ziel sein. Daher ist die Behandlung in ausreichender Radikalität entsprechend den geltenden onkologischen Regeln vorzunehmen. Dennoch aber ist im Falle operativer Eingriffe bei jungen Patientinnen die Erhaltung von reproduktiven Organen und Funktionen mit im Auge zu behalten: Bei richtiger Beurteilung ist in frühen Stadien von Ovarialtumoren nicht selten eine unilaterale Salpingooophorektomie ausreichend, wenn nur ein Ovar befallen ist. Bei notwendiger bilateraler Salpingooophorektomie sollte der Uterus möglichst erhalten bleiben, um die Chance einer assistierten Reproduktion zu wahren. Eine Eispende und die In-vitro-Fertilisierung machen eine Schwangerschaft möglich; leider ist diese Option jedoch von den Gesetzgebern her sehr limitiert.

Aber auch über die Notwendigkeit, die Art und das Ausmaß einer adjuvanten Chemotherapie oder einer Radiotherapie muss insbesondere bei Jugendlichen individuell entschieden werden:

  • Bei einer zytostatischen Chemotherapie muss eine vorzeitige Ovarialinsuffizienz durch Schädigung des Follikelapparates infolge einer Behandlung mit aggressiven Zytostatika einkalkuliert werden. Das Ausmaß der Ovarialinsuffizienz ist abhängig von der Art der Substanz, der Dosis und der Dauer der Behandlung. Als besonders aggressiv sind z.B. Cyclophosphamid, Busulfan, Chlorambucil sowie Procarbacin anzusehen, wohingegen Methotrexat, 6-Mercaptopurin oder 5-Fluorouracil zu gar keiner oder nur zu einer vorübergehenden Schädigung der Ovarialfunktion führen.
  • Das Risiko im Hinblick auf eine Schädigung der Gonaden, erkennbar an der resultierenden Amenorrhoe, ist zusätzlich abhängig vom Alter der Patientinnen. Mädchen in der Präpubertät scheinen weniger gefährdet zu sein als junge Frauen, d.h. das Risiko steigt mit dem Alter an.
  • Eine Radiotherapie führt ebenfalls zu einer Beeinträchtigung der Ovarialfunktion bis hin zu deren vollständigem Verlust. Auch diesbezüglich ist das Risiko von der verabreichten Dosis und dem Alter der Patientinnen abhängig. Eine zusätzliche Chemotherapie erhöht das Risiko zudem. Bei einer therapeutisch voll wirksamen Radiatio im kleinen Becken muss somit mit einer permanenten vorzeitigen Ovarialinsuffizienz gerechnet werden.

Welche endokrinologischen Maßnahmen sind angezeigt?

Eine sehr wesentliche Frage ist die, ob eine iatrogene Ovarialinsuffizienz permanent bestehen bleibt oder ob sie möglicherweise reversibel ist. Das Wiedereinsetzen der Ovarialfunktion ist am Auftreten spontaner Blutungen nach einer mehr oder weniger langen Dauer der Amenorrhoe erkennbar. Die Dauer der Amenorrhoe kann bis zu mehrere Jahre betragen. Bei jeglicher Form einer hypergonadotropen Amenorrhoe ist eine Hormonersatzbehandlung (HRT) indiziert und notwendig, bei Persistenz der Amenorrhoe als Langzeittherapie.

Zur Beurteilung der Ovarialfunktion bzw. deren möglicher Restitution sind Bestimmungen von FSH und Östradiol geeignet. Die Konzentrationen sollten in einem therapiefreien Intervall gemessen werden, weil auch eine HRT mit natürlichen Hormonen zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Suppression der Gonadotropine führt. Bei Wiedereintreten der Ovarialfunktion sind eine sukzessive Normalisierung des erhöhten FSH-Wertes und ein Anstieg von Östradiol zu beobachten. Nach Etablierung eines biphasischen Zyklus ist auch die Fertilität gegeben, so dass normale Schwangerschaften möglich sind.

Bei Kindern von Müttern, die in der Kindheit oder Adoleszenz eine Chemotherapie erhielten, ist nach den bislang vorliegenden einschlägigen Studien nicht mit einer Erhöhung des Risikos für angeborene Fehlbildungen zu rechnen. Dieser wichtige Aspekt ist jedoch im Sinne fortgesetzter Beobachtungen und Langzeituntersuchungen weiterhin zu berücksichtigen.

Wie kann eine Protektion der Ovarien erzielt werden?

Zur Erhaltung der Ovarialfunktion und der Fertilität bei Chemotherapien und/oder Radiotherapien kommen drei spezielle Methoden in Frage (pharmakologische Protektion, chirurgische Intervention, Kryokonservierung). Diese Methoden sind zum Teil noch wenig ausgereift bzw. gelangen nur selten zur Anwendung, erfordern spezielle Kenntnisse und Erfahrungen und sollten – wie eingangs erwähnt – nur in entsprechenden kompetenten Zentren durchgeführt werden:

  • Die Anwendung von oralen Kontrazeptiva oder von Progesteron zur pharmakologischen Protektion der Ovarien hat sich als wenig zielführend erwiesen. Und Apoptosehemmer sind bislang zur klinischen Anwendung nicht geeignet. Eine viel versprechende Maßnahme ist hingegen der Einsatz von Gonadotropin-Releasing-Hormon-Agonisten. Bei deren Anwendung vor und während einer zytostatischen Behandlung kann sich aufgrund der vorübergehenden, präventiven Unterdrückung der Ovarialfunktion ein positiver Effekt im Hinblick auf die spätere Fertilität ergeben.  
  • Die mögliche chirurgische Intervention besteht in der Transposition der Gonaden, d.h. in der Verlagerung der Ovarien in einen Bereich außerhalb des Bestrahlungsfeldes, bevor eine Radiotherapie wegen bösartiger Erkrankungen im kleinen Becken begonnen wird. Die Verlagerung Richtung Wand des großen Beckens bzw. Oberbauch kann auch laparoskopisch durchgeführt werden.  
  • Die Kryokonservierung betrifft das Einfrieren von Oozyten, Embryonen und Ovarialgewebe vor notwendigen onkologischen Behandlungen. Unsicherheiten und Probleme bestehen allerdings noch im Hinblick auf allfällige Schädigungen von Eizellstrukturen oder Praimplantationsembryonen sowie im Hinblick auf die Durchblutung nach Transplantation von kryokonserviertem Ovarialgewebe. Intensive Forschungen sind darauf ausgerichtet, die Anwendung dieser Methoden zukünftig effizienter und sicherer zu gestalten.

Resümierend kann festgehalten werden, dass die onkologischen Behandlungsstrategien enorme Fortschritte erfahren haben und eine Heilung auch bei bösartigen Erkrankungen in einem hohen Ausmaß möglich geworden ist. Bei jungen Patientinnen ist neben dem kurativen Ansatz die Erhaltung der Ovarialfunktion und der Fortpflanzungsfähigkeit eine wichtige Aufgabe: Im Falle notwendiger, adjuvanter bzw. primärer zytostatischer und/oder radiologischer Behandlungen muss eine Schädigung der Ovarialfunktion berücksichtigt werden. Ein adäquates Vorgehen, basierend auf einer exakten Diagnostik und einer kompetenten Einschätzung der gesamten individuellen Situation, ermöglicht häufig ein konservatives organ- und funktionserhaltendes Vorgehen. Neue Methoden zur Erhaltung der Ovarialfunktion und der Fertilität, die vor aggressiven therapeutischen Maßnahmen anzuwenden sind, stehen zur Verfügung oder sind in Entwicklung. Sie bedürfen zum Teil noch weiterer Ausreifung sowie weiterer Überprüfung auf der Basis von Langzeiterfahrungen, sind aber als erfolgversprechend zu beurteilen.

Verfasser:

Prof. Dr. med. G. Tscherne
Frauenarzt
1. Vorsitzender der österreichischen Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendgynäkologie
Brandhofgasse 13
A-8010 Graz