Fachwissen

"Burnout" - Ausgebranntsein:

Was u. a. Ärzte krankheitsanfällig, müde und zynisch macht

aus korasion Nr. 1, Februar 2007

Den Zustand kennt wohl jeder, doch ein wirklich treffender deutscher Begriff für „Burnout“ fehlt auch heute noch, obwohl die Störung schon seit vielen Jahren bekannt ist. Gemeint ist das Gefühl des Ausgebranntseins durch beruflichen Verschleiß, die „innere Kündigung“ mit nachlassender Arbeitsmoral bzw. eine wachsende Frustration mit körperlichen Symptomen als deren Folge.

Menschen in helfenden und sozialen Berufen – z.B. Ärzte, Schwestern, Lehrer oder Altenpfleger – sind vom Risiko des „Ausbrennens“ in erhöhtem Maße bedroht. So führt das permanente Arbeiten im Grenzbereich des medizinisch Möglichen insbesondere bei Mitarbeitern auf Intensivstationen relativ häufig zum „Burnout“, konstatiert die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. med. Johann F. Kinzl an der Psychiatrischen Universitätsklinik Innsbruck. Nach deren Untersuchungen muss praktisch jeder vierte Intensivmediziner als „Burnout“-gefährdet angesehen werden.

„Herr über Leben und Tod“?

Das medizinische Personal auf einer Intensivstation wird ständig mit dem drohenden Tod der von ihnen betreuten Patientinnen/Patienten konfrontiert. Die Sterblichkeit von akut übernommenen Notfall-Patienten beträgt z.B. auf der Allgemein-Chirurgischen Intensivstation in Innsbruck 22,4%. Die Mediziner arbeiten in ständiger Alarmbereitschaft und unter hohem zeitlichen und mentalen Stress.

J.F. Kinzl in der „Deutschen Medizinischen Wochenschrift“: „Die Intensivmedizin suggeriert wie kaum eine andere Sparte der Medizin, dass fast alles machbar und kontrollierbar sei. Es werden aber oft Grenzsituationen ärztlichen Handelns erreicht, in denen sich die Frage stellt, um welchen Preis – ethisch und ökonomisch – lebenserhaltende Maßnahmen gerechtfertigt sind. Allmachtsphantasien auf der einen Seite und das Wissen, dass trotz größten Einsatzes von hoch qualifiziertem Personal, modernsten Apparaten und Medikamenten nicht jedem Patienten erfolgreich geholfen werden kann, auf der anderen Seite üben einen hohen Erwartungsdruck auf das Intensivpersonal aus“.

Das heißt: Intensivmediziner haben eine besonders hohe fachliche Kompetenz und empfinden sich mitunter als „Herr über Leben und Tod“. Man erwartet von ihnen eine hohe Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit und ein hohes Maß an Empathie.

Hohes Engagement in der Arbeit

Die Arbeitsgruppe um J.F. Kinzl überprüfte das Vorliegen und das Ausmaß von Burnout-Symptomen bei 89 Innsbrucker Anästhesisten (56 Männer und 33 Frauen) mit Hilfe verschiedener Fragebögen. Erfasst wurden unter anderem stressrelevante Tätigkeiten, die Strategien der Einzelnen zur Stressverarbeitung sowie die auf Burnout deutenden Symptome.

Die Ergebnisse zeigen, dass etwa ein Viertel der Innsbrucker Anästhesisten als "Burnout“-gefährdet angesehen werden muss. J.F. Kinzl: „Diese Werte sind vergleichbar mit Ergebnissen, die bei deutschen Managern gefunden wurden“. 50,6% der Mediziner stuften ihre Arbeitsbelastung als hoch bis sehr hoch ein, 35% als gemäßigt und 13,5 als eher gering. Geschlechtsunterschiede gab es dabei nicht.

Ausbrennen kann nur jemand, der für den Job früher einmal „Feuer und Flamme“ war. J.F. Kinzl: „Burnout entwickelt sich vorwiegend bei 30- bis 50-jährigen, die zuerst mit hohem Engagement in ihrer Arbeit aufgehen und dann oft in den Strudel der körperlichen und geistigen Erschöpfung geraten. Auch sind bei dieser Altersgruppe weitere Entwicklungsperspektiven oft nur mehr bedingt vorhanden und zusätzliche psychosoziale Belastungen kommen häufig zum Tragen“.

Prozesshafte Entwicklungen

Typische Erscheinungsformen des „Burnout“ sind Müdigkeit, rasche Erschöpfbarkeit, innere Unruhe und Reizbarkeit. J.F. Kinzl: „Burnout ist eine prozesshafte Entwicklung. Diese ist gekennzeichnet durch:

  • Emotionale Erschöpfung, d.h. Verlust von positiven Empfindungen und Abnahme von Sympathie für andere Menschen wie z.B. Kollegen oder Patienten, oft verbunden mit chronischer Müdigkeit und Beeinträchtigungen der Befindlichkeit;
  • Depersonalisation, d.h. eine zunehmend negative, zynische Grundhaltung gegenüber Kollegen und Patienten, verbunden mit einer Einschränkung sozialer Kontakte, Rückzugsverhalten und Reduzierung der Arbeit auf das Nötigste, und
  • Reduzierte Leistungsfähigkeit und Insuffizienzgefühle, verbunden mit dem Gefühl einer chronischen Überforderung, einer Erfolg- und Machtlosigkeit und fehlender Anerkennung.“

Obwohl sie wie ihre Kollegen unter hohem Zeitdruck und Stress arbeiten müssen, meistern es drei von vier Innsbrucker Intensivmedizinern dennoch, mit dieser Belastung zurechtzukommen. Sie schaffen das vor allem mit Hilfe einer Reihe von Bewältigungsmechanismen:

  • Erhaltung ihrer fachlichen Kompetenz durch stetige Fortbildung;
  • Gesunde Lebensführung mit guter körperlicher Fitness durch Sport und Vermeidung von Alkohol und Nikotin;
  • Pflege des Familienlebens und von Freundschaften.

Zur Vorbeugung gegen „Burnout“ empfiehlt J.F. Kinzl regelmäßige Gesprächsangebote mit erfahrenen Supervisoren und die Einführung regelmäßiger Auszeiten („Sabbaticals“) sowie eine variable Arbeitssituation, d.h. Arbeiten nicht nur auf der Intensivstation.

Red.