Fachwissen

HPV-induzierte Erkrankungen bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen

Charakteristik, Diagnostik und Therapie

von Prof. Dr. med. Monika Hampl und Dr. med. Anne Porn

aus korasion Nr. 4, November 2012

Die Infektion mit humanen Papillomviren (HPV) ist die häufigste durch Geschlechtsverkehr (GV) übertragene Virusinfektion weltweit und eine häufige Infektion bei jungen Mädchen/Frauen, die typischerweise nach GV-Aufnahme auftritt. Rund 70 bis 80 Prozent aller Frauen machen im Rahmen ihres sexuell aktiven Lebens die Infektion durch, die jedoch oft asymptomatisch verläuft und in zirka 70 Prozent innerhalb von 12 bis 18 Monaten ausheilt. Im Folgenden werden die klassischen HPV-induzierten Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen und jungen Erwachsenen beschrieben.

Der „Peak“ der HPV-Infektion liegt im Alter von 25 bis 30 Jahren. „Low risk“- Viren verursachen in der Regel Feigwarzen und leichte Veränderungen am Gebärmutterhals (CIN 1). Höhergradige Veränderungen der Zervix (CIN 2-3), Vulva (VIN 2-3), Vagina (VAIN 2-3) und perianal (AIN 2-3) werden durch Viren der „high risk“-Gruppe ausgelöst. Voraussetzung für die Entstehung einer Präkanzerose oder eines Karzinoms ist eine persistierende HPV-Infektion, die erst bei der Integration der Virus-DNA ins Wirtsgenom im Rahmen eines „molekularen Unfalls“ entsteht. Da es sich in vielen Fällen um transiente Infektionen handelt, heilen die meisten Frauen die Infektion aus (nur 10 Prozent werden persistent). Eine Übertragung ist darüber hinaus auch durch eine Schmierinfektion möglich (Mutter auf Kind, feuchte Handtücher?), ebenso kann es bei einer HPVinfi zierten Mutter zur Infektion des Kindes vorgeburtlich oder unter der Geburt kommen mit der sehr seltenen Entwicklung von Larynxpapillomen.

Charakteristika & Einteilung

HP-Viren gehören zur Familie der Papovaviren. Sie bestehen aus einer ringförmigen doppelsträngigen DNA mit 7 600 Basenpaaren, die von einer Proteinhülle (Kapsid) umgeben wird. Diese wird von den späten Kapsidgenen L1 und L2 kodiert, die viralen „early“-Gene sind an der Replikation beteiligt, wobei die Gene E6 und E7 onkogen und für die maligne Transformation der befallenen Zellen verantwortlich sind. Das Onkogen E6 inaktiviert das Tumorsuppressorgen p53, während E7 das Tumorsuppressorgen Rb inaktiviert. Somit wird sowohl die Apoptose als auch der Zellzyklus gestört (Übersicht zur Hausen 2002), was zur malignen Transformation der Zelle führt. HP-Viren sind epitheliotrop, das heißt sie vermehren sich nur in proliferierenden Epithelzellen. Sie gelangen bedingt durch Mikrotraumen der Haut/Schleimhaut beim GV an der Haut/Zervix/perianal in die unteren Schichten des Plattenepithels und infizieren dort Basalzellen. Dort wird die frühe virale DNA exprimiert, die mit den sich teilenden Zellen in die höheren Schichten gelangt, wo die späten Gene exprimiert und die Virus-DNA in ihre Kapsel verpackt wird. Die fertigen Viren werden mit den sich abschilfernden Zellen in die Umgebung freigegeben.

Es gibt zirka 40 HPV-Typen, die eine Infektion des Genitaltraktes verursachen können, unterteilt in low und high risk-Viren (Tab. 1). Die wichtigsten low risk-Typen sind HPV 6 und 11, die für 90 Prozent aller Feigwarzen und Larynxpapillome verantwortlich sind und in der Regel keine maligne Transformation auslösen. Die high risk-Viren 16 und 18 sind für über 70 Prozent aller Zervixkarzinome verantwortlich sowie die meisten Vulva-, Vaginal- und Analkarzinome, beim Mann für einen Teil der Peniskarzinome, fast alle Analkarzinome und zirka 50 Prozent der Tonsillen und Mundbodenkarzinome (beide Geschlechter). HPV 31 und 33 spielen bei Vulvakarzinomen eine Rolle (de Vuyst 2009).

Tab. 1:
Einteilung der HPV-Typen in low und high risk-Viren
low risk HPV-Typen (LR-HPV)
6, 11, 40, 42, 43, 44, 54, 61, 70, 72, 81
high risk HPV-Typen (HR-HPV)
16, 18, 31, 33, 35, 39, 45, 51, 52, 56, 58, 59, 68, 73, 82

Nachweisverfahren

Die DNA des HP-Virus wird mit verschiedenen molekularbiologischen Verfahren nachgewiesen. Die Asservation der Virus- DNA erfolgt bei der körperlichen Untersuchung durch Watteträgerabstriche aus dem betroffenen Körperteil (Zervixabstrich, Abstrich der Vagina/Vulva, der Urethra beim Mann, Analabstrich etc.). Der häufigste, von der Food and Drug Administration (FDA) zugelassene Test ist der Hybrid Capture® HPV DNA-Test (bislang nur für den zervikalen Abstrich zugelassen, sehr hohe Sensitivität). Der Hybrid Capture® 2 High-Risk HPV DNATest ™ (HCII) ist ein signalamplifizierendes Hybridisierungsverfahren. Dieses kann die zwei Gruppen LR-HPV und HR-HPV unterscheiden. Dabei identifiziert die Sonde A die LR-HPV 6, 11, 42, 43, 44 sowie die Sonde B HR-HPV 16, 18, 31, 33, 35, 39, 45, 51, 52, 56, 58, 59 und 68. Die Sensitivität ist mit einer Nachweisgrenze von einem Picogramm (pg) DNA (entspricht zirka 5 000 Viruskopien) sehr hoch. In vier bis fünf Prozent fällt der weit verbreitete HCII falsch negativ aus. Er ermöglicht nicht die HPV-Typisierung sowie Identifizierung von einigen selten vorkommenden HPVTypen. Ein spezifischer Virustypisierungstest ist aber inzwischen auf dem Markt (Firma QIAGEN: Nachweis HPV 16, 18, 45). Im Gegensatz zum HCII-assay sind die „polymerase chain reaction”- (PCR-) basierten Testsysteme in der Lage, spezifi sche HPV-Typen zu identifizieren. Typenspezifi sche, PCR- und DNA-sequencing basierende HPV-Tests sind von verschiedenen Herstellern erhältlich (zum Beispiel Abbott Real Time high risk HPV-Test, cobas® von Roche, Cervista® HPV von Hologic, INNO-LiPA HPV Genotyping v2 von Immuno genetics Inc).

Risikofaktoren

Da die HPV-Infektion fast immer durch GV übertragen wird, stellt das Sexualverhalten den wichtigsten Risikofaktor dar: Frühe Aufnahme des GV und häufig wechselnde Partner sind Hauptrisikofaktoren für genitale HPV-Infektionen. Daneben spielen Kofaktoren eine Rolle, vor allem eine Störung der Immunantwort lokal oder generalisiert (beispielsweise HIV-Infektion). Als Risikofaktoren gelten:

  1. Rauchen: Inhalierte karzinogene Substanzen erreichen über die Blutbahn das Epithel des unteren Genitaltraktes und werden dort angelagert. Zusätzlich bewirkt Rauchen eine Schwächung der humoralen Immunabwehr (Prokopczyk 1997).
  2. Pille: Die Verwendung von oralen Kontrazeptiva (OC) für über fünf Jahre erhöht das Risiko für die Entwicklung eines Zervixkarzinoms (Franco 2003).
  3. Multiparität (Schiffman 1995)
  4. Ko-Infektion mit Herpes simplex (HSV)
  5. Infektion mit Chlamydia trachomatis in der Anamnese
  6. Immunsuppression: HIV-positive Frauen haben ein zirka fünf- beziehungsweise siebenmal höheres Risiko, eine persistierende HPV-Infektion und eine HPVassoziierte intraepitheliale Neoplasie zu entwickeln (Williams 1994). Bei diesen Patientinnen kommt häufiger auch eine multizentrische (Vulva, Vagina, Zervix, Anus) Manifestation von HPVInfektionen vor.

HPV-induzierte Erkrankungen: Feigwarzen

Die häufigste, durch HPV induzierte gutartige Erkrankung sind Feigwarzen. Die Prävalenz der Kondylomata akuminata (Genitalwarzen) beträgt zirka 10 Prozent. Kondylome werden fast immer entweder durch GV oder Hautkontakt im Bereich der Genitalorgane übertragen. Letztere Möglichkeit (Hautkontakt ohne stattgehabte Penetration) erklärt das Vorkommen von genitalen Kondylomen bei Jungfrauen (Winer 2003). Bei Kindern mit Kondylomen muss stets sexueller Missbrauch ausgeschlossen werden, wenn auch wie beschrieben andere Infektionswege möglich sind. Die Inkubationszeit dauert durchschnittlich drei Monate (von drei Wochen bis 18 Monate). Orale und laryngeale Kondylome/Papillome können sowohl bei Erwachsenen (nach oralem Verkehr) als auch bei zwei- bis fünfjährigen Kindern vorkommen (Übertragung während der Geburt bei ausgeprägtem Kondylombefall des mütterlichen Genitaltraktes) (Sinclair 2005). Da HPV-Infektionen oft multifokal sind, sind bei zirka einem Drittel der Patienten mit Genitalwarzen HPV-assoziierte Läsionen im Bereich der Zervix, der Vagina und des meatus urethrae nachweisbar. Bei den zervikalen Läsionen handelt es sich meistens um leichtgradige Dysplasien (CIN 1), während höhergradige Läsionen (CIN 2-3) in zirka zwei Prozent der Betroffenen zu finden sind.

Anogenitale Warzen werden in 90 Prozent der Fälle von den LR-HPV 6 und (seltener) 11 verursacht. In beiden Fällen findet eine Integration des viralen Genoms in das Genom der Wirtszelle fast nie statt, so dass die Karzinogenese auf dem Boden HPV 6/11-positiver Kondylome ein sehr seltenes Phänomen ist. Bei Menschen ohne beeinträchtigtes Immunsystem haben Genitalwarzen, wenn überhaupt, ein sehr niedriges Entartungsrisiko. Bei immunsupprimierten Menschen zeigt sich ebenfalls kein erhöhtes Risiko für maligne Transformation, obwohl in diesem Kollektiv die Entstehung anogenitaler Präkanzerosen und Malignomen mit dem Vorhandensein von Genitalwarzen assoziiert ist (Palefsky 2000). Diese Patienten (AIDS, Z. n. Organtransplantation, Fanconi-Anämie) haben eine Neigung zu gleichzeitigen LR- und HR-HPV und oft auch multiplen Infektionen. Das heißt, in diesem Kollektiv können Genitalwarzen (als Folge einer LR-HPV-Infektion) simultan mit invasiven Karzinomen vorkommen, die sich ihrerseits auf dem Boden einer prämalignen (als Folge einer HR-HPV-Infektion entstandenen) epithelialen Läsion entwickelt haben.

Diagnostik & Therapie

Die Diagnose von Kondylomen erfolgt durch Inspektion (Abb. 1), gegebenenfalls Kolposkopie und Probeexzision (PE). Letztere sollte immer zur Histologie erfolgen, wenn das klinische Bild nicht eindeutig ist. Die Unterscheidung zur VIN ist für den Unerfahrenen oft nicht leicht (Abb. 2). Differenzialdiagnostisch sollte auch an Mollusken gedacht werden. Bei vulvären Kondylomen von sexuell aktiven Mädchen sollten Scheide und Zervix mit untersucht werden (je nach Fall Pap-Abstrich, HPV-Abstrich, Kolposkopie/PE), um einen multizentrischen Befall auszuschließen. Auch der Analbereich sollte eingehend inspiziert werden. Die meisten Therapieformen sind rein symptomatisch und führen nicht immer zur dauerhaften Viruselimination. Rezidive sind sehr häufi g. Die Therapien werden in Patienten applizierte Lokal- und ärztliche Therapien unterteilt (Tab. 2). Kleine Areale eignen sich gut für Lokaltherapien, bei größeren Herden und/oder Vaginal- und/oder Analbefall muss meist eine Laservaporisation nach PE erfolgen. Eine VIN muss immer ausgeschlossen sein! Die Therapie mit dem Immunmodulanz Imiquimod löst eine lokale Immunantwort im Gewebe aus, ist sehr effektiv (Abheilungsrate: 72 % bei Frauen, 33 % bei Männern; Edwards 1998) und hat eine deutlich niedrigere Rezidivrate als chirurgische Interventionen (15 % vs. 30 bis 60 %). Die für Erwachsene zugelassene Creme Aldara® kann dabei eine Hautreaktion mit Erythem, Juckreiz, Brennen und Wundsein auslösen. Off label use wird sie aber auch bei Kindern mit gutem Erfolg eingesetzt (eigene Erfahrung). Anwendung: lokale Applikation dreimal/Woche, morgens gut abgewaschen. Therapiedauer: in der Regel acht bis 16 Wochen. Weitere lokale Behandlungsmöglichkeit bietet das aus Blättern des grünen Tees gewonnene Catechinpräparat Veregen® (Marktzulassung in Deutschland 2009). Catechine wirken antiproliferativ auf Keratozyten, antioxidativ und immunmodulatorisch (Tatti 2008). Anwendung: dreimal täglich lokale Applikation. Die Heilungsraten sind ähnlich Aldara® (ebenso die Nebenwirkungen: lokale Hautreaktion), die Rezidivrate liegt unter 10 Prozent. Daten zur Applikation bei Kindern gibt es bislang noch nicht.

Tab. 2:
Therapieempfehlungen für anogenitale Warzen (Quellenhinweise: nach Deutsche STD-Gesellschaft, 2000)
Selbsttherapie Erfolgsrate
in Prozent (%)
Rezidivraten
in Prozent (%)
Kosten/Behandlung
(umgerechnet in EUR)
Podophyllotoxin 0,15 % Creme (z.B. Wartec®)
oder 0,5 % Lösung (z.B. Condylox®)
60 - 90 7 - 38 ca. 700 - 1250
Imiquimod 5 % Creme (z.B. Aldara®) 50 - 80 10 - 20 ca. 1250
Interferon beta Gel adjuvant (z.B. Fiblaferon®) 6 - 90 ca. 60 ca. 5160
Ärztliche Therapie      
Laser, Elektrochirurgie, Scherenschlag, Kürettage bis 80 15 - 50 ca. 230 - 320
Trichloressigsäure (85 % Lösung),
Kryotherapie
60 - 80
60 - 80
25 - 50 ca. 700

Zervikale intraepitheliale Dysplasien

Wie bereits beschrieben heilen von den passageren HPV-Infektionen (bei zirka 70 % aller sexuell aktiven Frauen und Männer) 60 bis 90 Prozent innerhalb von 12 bis 18 Monaten wieder aus. Bei den verbleibenden 20 Prozent kann die Persistenz der Infektion mit HR-HPV jedoch im Verlauf zur Entstehung zervikaler intraepithelialer Neoplasien (CIN) führen. Insgesamt fünf bis sieben Prozent aller Frauen erkranken bis zum 40. Lebensjahr an einer behandlungsbedürftigen CIN (Fehr 2007). Die häufigste klinische Manifestation einer zervikalen HPV-Infektion stellt die CIN 1 da, welche in zirka 60 Prozent aller Fälle spontan ausheilt. In 10 bis 50 Prozent zeigt sich eine Progression in eine höhergradige Dysplasie im Sinne einer CIN 2-3 (Pagliusi u. Aguado 2004). Man geht davon aus, dass sich zirka 22 Prozent der unbehandelten CIN 2-Läsionen zu einer CIN 3 entwickeln (Ostor 1993). Im Falle einer HPV 16-Infektion steigt die 10-Jahresinzidenz der CIN 3 auf 17 Prozent (Fehr 2007). Die spontane Remission von CIN 3 beträgt 20 bis 30 Prozent; das Risiko der Entstehung eines Zervixkarzinoms ist jedoch erheblich und wird mit 12 Prozent angegeben (Pagliusi u. Aguado 2004). Entsprechend der WHO (Bethesda-Klassifikation im angloamerikanschen Raum) erfolgt die Klassifikation durch Einteilung in drei (beziehungsweise zwei) Schweregrade:

CIN 1 (Bethesda-Klassifikation: LSIL low grade squamous intraepihelial lesion): leichte oder geringgradige Dysplasie der Zervix, HPV-assoziierte flache Kondylome (Atypien auf das basale Epitheldrittel beschränkt) CIN 2: mittelschwere oder mäßiggradige Dysplasien der Zervix (Atypien auf das basale und mittlere Drittel des Epithels beschränkt) CIN 3: schwere oder hochgradige Dysplasien der Zervix (Atypien erreichen das obere Epitheldrittel. Hierunter wird auch das Karzinoma in situ subsumiert. Hierbei handelt es sich um eine komplette Aufhebung der normalen Epithelarchitektur.) CIN 2 und 3 werden in der Bethesda-Klassifi kation zu HSIL (high grade squamous intraepithelial lesion) zusammengefasst.

Symptomatik & Diagnostik bei der CIN

Häufig verläuft die Manifestation einer zervikalen HPV-Infektion im Sinne einer CIN 1-3 symptomlos, es kann jedoch zu Kontaktblutungen, Metrorrhagien oder postmenopausalen Blutungen kommen. Seit 1971 existiert die gesetzliche Früherkennung am Gebärmutterhals, wobei die zytologische Untersuchung der Zervix uteri bereits in den 1940er-Jahren durch George N. Papanicolaou eingeführt wurde. Bei der typischen Zytologie handelt es sich um eine Serienuntersuchung, was bedeutet, dass nur deren regelmäßige jährliche Durchführung eine Genauigkeit und Sicherheit für die Patientin garantiert. Die Zytologie stellt die einzige bisher etablierte Methode dar, die die Mortalität an einem Karzinom senken konnte. In Deutschland ist die Teilnahme an gesetzlichen Früherkennungsuntersuchungen freiwillig, mit 50 Prozent der Bevölkerung jedoch sehr gering.

Zur Beurteilung der Zervix/zervikalen Neoplasien stellt die Untersuchungsmethode der Kolposkopie das Standardverfahren dar. Die Zielsetzung der Untersuchung besteht in der kompletten/ausreichenden Beurteilung der Zervix, welche durch die Anwendung verschiedener Lösungen (3–5 % Essiglösung) und Tinkturen (Schiller-Jodlösung) ergänzt wird. Nach Betupfen mit Essiglösung kommt es, je nach Schwere der Dysplasie zu einer unterschiedlichen Weißfärbung (Abb. 3). Bei der Schiller-Jodprobe werden ektozervikale Läsionen entsprechend ihres unterschiedlichen Glykogengehaltes angefärbt. Am Punktum maximum (Essigprobe: Läsion, welche sich am intensivsten, schnellsten und weißesten anfärbt) sollte eine Biopsie zur histopathologischen Beurteilung erfolgen. Die Beurteilung der kolposkopischen Befunde erfolgt entsprechend der Klassifikation von Rom 1990, welche 2003 modifiziert wurde. Der Goldstandard zur optimalen Therapieplanung bei auffälligen Zytolgiebefunden und histologisch gesicherten Neopasien liegt in der Differenzialkolposkopie mit Biopsie (und nicht in der Konisation). Differenzialdiagnostisch muss im Speziellen an Entzündungen der Zervix, zum Beispiel durch Herpes oder Chlamydien, gedacht werden. Eine kolposkopische Untersuchung ist auch in diesen Fällen gemäß Leitlinien (Tab. 3) indiziert.

Tab. 3:
Management von zervikalen intraepithelialen Neoplasien (HR: high risk, LEEP: loop excisional electrosurgical procedure) (Quellenhinweis: nach „Prävention, Diagnostik und Therapie der HPV-Infektion und präinvasiver Läsionen des weiblichen Genitale“; Leitlinie AWMF 015-027 (S2k), Stand Juni 2008)
  Management OP-Verfahren konservatives Management
CIN 1 kolposkopisch-zytologische
Kontrolle alle 6 Monate
(HPV-HR-positiv)
LEEP,
Laserkonisation/Vaporisation
(nur bei HPV-Persistenz,
Wunsch der Frau)
bis zu 24 Monate
(nur bei HPV-HR- Positivität
relevant)
CIN 2 kolposkopisch-zytologische
Kontrolle alle 6 Monate
(HPV-HR- positiv)
LEEP,
Laserkonisation/Vaporisation
(nur bei Befundpersistenz,
HPV-HR-Positivität,
Wunsch der Frau)
bis zu 12 Monate
(nur bei HPV-HR-Positivität
relevant)
CIN 3 Therapie Konisation
(Schlinge, Laser, Nadel, Messer)
in graviditate
Ausdehnung in die tiefe Endozervix kolposkopisch-zytologische
Kontrolle
Konisation
(Schlinge, Laser, Nadel, Messer)
bei CIN 1 möglich
(nur bei HPV-HR- Positivität
relevant)

Therapiemanagement

Wichtig in der Behandlung der CIN ist die Unterscheidung in ein konservatives Management und die operative Therapie. Aufgrund der hohen Spontanregressionsrate von CIN 1 und 2 sollte gerade bei jungen Frauen ein konservatives Management unter Berücksichtigung spezieller Risikofaktoren und der Infektionsdauer beziehungsweise des Zeitintervalls der nachgewiesenen Pathologie bevorzugt werden. CIN 3-Läsionen sollten dagegen operativ saniert werden, obwohl auch in diesen Fällen Remissionen möglich sind. Nur in graviditate ist unter engmaschiger Kolposkopie eine erneute Kontrolle mit OP bei Persistenz der Läsion acht Wochen postpartal vertretbar. Zum Ausschluss eines invasiven Geschehens ist unter Risiko Nutzen Aufklärung in Einzelfällen eine Biopsie um die 16. SSW zu erwägen. Bei den operativen Verfahren unterscheidet man zwischen exzidierenden und destruierenden Verfahren, die häufig auch miteinander kombiniert werden. Destruierende Verfahren (Laservaporisation und Elektrokauterisierung) sind nur nach histologischer Sicherung einer CIN-Läsion der Ektozervix ohne endozervikale Ausdehnung und nach Ausschluss einer Mikroinvasion oder Invasion erlaubt.

In allen anderen Fällen (Invasion, kolposkopisch nicht sicher beurteilbare Befunde, endozervikale Dysplasien oder Adenokarzinoma in situ) sollte ein exzidierendes Verfahren angewendet werden. Hierzu zählen die Messer- und Schlingenkonisation, die endozervikale Kürettage sowie die Hysterektomie. Die chirurgische Methode der Wahl stellt gemäß der geltenden Leitlinien (AWMF, Registernummer 015-027) die Schlingenkonsiation (LEEP = „loop electrosurigcal excisional procedure“ oder LLETZ = „large loop excision of the transformation zone“) dar. Hier erfolgt eine Resektion (möglichst in einem Stück) der Transformationszone mittels Hochfrequenzschlinge. Im Falle einer endozervikalen Ausdehnung der Dysplasie sollte eine entsprechende Nachresektion mittels Schlinge erfolgen. Durch die Entwicklung dieses schonenden Verfahrens konnten Früh- und Spätkomplikationen, insbesondere die Frühgeburtlichkeit, deutlich im Vergleich zur Messerkonisation reduziert werden, die daher nicht bei Frauen mit Kinderwunsch angewendet werden sollte. Zusätzlich kann zum Ausschluss endozervikaler Neoplasien eine endozervikale Kürettage oder endozervikale Nachresektion erfolgen, eine Abrasio des Kavum uteri ist nicht indiziert. Bei Rezidiven einer CIN 2/3 oder glandulären Neoplasie nach Konisation oder tief endozervikal lokalisierten Residuen sollte mit der Patientin die Hysterektomie diskutiert werden.

Rezidivrisiko

Das Rezidivrisiko einer CIN-Läsion ist im OP-Falle von der Qualität der Operation (R0-Resektion) und des postoperativen HPV-Status abhängig. In den meisten Fällen führt die Therapie zur HPV-Elimination, so dass die Therapie als kausal bezeichnet werden kann. Eine erste HP-Testung sollte frühestens sechs bis acht Monate postoperativ erfolgen und um eine Zytologie nach sechs Monaten ergänzt werden. Ein negativer HPV-Test schließt dann eine Persistenz der Dysplasie oder ein CIN-Rezidiv mit hoher Wahrscheinlichkeit aus. Ist einer der Tests positiv, sollte eine Kolposkopie erfolgen. Das weitere Procedere ergibt sich aus den Untersuchungsbefunden. Bei freien Schnitträndern ist das Rezidivrisiko gering und wird mit 10 Prozent angegeben. In bis zu 25 Prozent aller Fälle verläuft eine Konistation non in sano. Hier ist primär eine Kontrolluntersuchung mit Kolposkopie sechs Monate postoperativ indiziert. Im Falle einer nachgewiesenen CIN-Persistenz sollte erst dann die Re- Konisation erfolgen. Das Rezidiv-Risiko bei positiven Absetzungsrändern ist maßgeblich durch den Grad der Dysplasie bestimmt. Bei einer CIN 1 im Absetzungsrand wird das Rezidivrisiko mit null bis fünf Prozent angegeben. Bei Nachweis einer CIN 3 muss in 20 bis 25 Prozent, bei Befall des endozervikalen Randes bis 30 Prozent mit einem Rezidiv gerechnet werden. Sind beide Ränder betroffen, steigt das Rezidivrisiko auf 50 Prozent.

Vulväre intraepitheliale Dysplasien

Die häufigste präinvasive Erkrankung der Vulva ist die vulväre intraepithe liale Neoplasie (VIN), die daher in dieser Übersicht zumindest mit erwähnt werden soll. Die VIN-Inzidenz hat in den letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen, was vor allem auf das gehäufte Auftreten von HPV-induzierten Präneoplasien zurückzuführen ist: In 90 Prozent ist die VIN HPVinduziert. Die VIN wird entsprechend der WHO Klassifikation in Analogie zur CIN in drei Schweregrade unterschieden: VIN 1: Zellatypien finden sich nur in der untersten Epithelschicht VIN 2: auch die mittlere Epithelschicht ist betroffen VIN 3: Zellatypien finden sich in der gesamten Epithelschicht

Die internationale Society for the study of vulvovaginal disease (ISSVD) hat 2005 die Nomenklatur der VIN dahingehend verändert, dass nur noch die Bezeichnung VIN2–3 (schwere Veränderung) verwendet werden soll, da die VIN 1 keine Vorstufe einer bösartigen Erkrankung darstellt und somit keinen Krankheitswert hat. VIN 1 wird als kondylomatöse Läsion eingestuft. Eine primäre Prävention der HPV-assoziierten VIN und auch invasiver Karzinome ist durch die Vermeidung einer genitalen Infektion mit HPV möglich: Die Primärprävention besteht in der Verhinderung einer HPV-Infektion als Ursache der VIN (Hampl 2006) und des HPV-positiven Vulvakarzinoms der jungen Frau (in 40 bis 60 %) (Parkin 2006). Ob die adäquate Behandlung eines Lichen sklerosus einen primärpräventiven Ansatz für einen Teil HPV-negativer Vulvaneoplasien darstellt, ist derzeit nicht bekannt.

Vulvakarzinome

Eine unbehandelte VIN 3 kann in ein Vulvakarzinom übergehen. In den letzten Jahren sehen wir zunehmend junge Frauen mit Vulvakarzinomen, vor allem im Bereich der vorderen Kommissur (Hampl 2008) (Abb.4). Die jüngste Patientin mit einem ausgedehnten Vulvakarzinom der vorderen Kommissur mit Urethrainfiltration war 18 Jahre alt (Hampl 2006). Die Tumore der vorderen Kommissur sind in weniger als 30 Prozent HPV-induziert, die anderen Tumore zeigen eine Überexpression von p53 (Reuschenbach 2012, in Druck). Bei anhaltenden Vulvabeschwerden sollte auch bei jungen Frauen an eine Präneoplasie gedacht und eine nicht heilende Läsion frühzeitig durch PE gesichert werden.

Ausblick

Seit 2006 stehen zwei rein prophylaktische Impfstoffe zur Verhinderung einer HPV 16/18-Infektion zur Verfügung. Diese sind gut verträglich ohne schwere Nebenwirkungen (Descamps 2009, Garland 2007). Sie sollten – da ohne therapeutische Wirkung – bereits jungen Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren vor Aufnahme des ersten GVs verabreicht werden (STIKOEmpfehlung, Epidemiologisches Bulletin vom 23. März 2007; 12, 97–103). Beide Impfstoffe verhindern im Kollektiv der HPV-naiven Frauen in fast 100 Prozent die Entstehung zervikaler intraepithelialer Neoplasien (Joura 2007, Paavonen 2009, Joura 2008). Die Effektivität des tetravalenten Impfstoffes (HPV 6/11/16/18) in Bezug auf Verhinderung von vulvären/ vaginalen Präneoplasien (VIN/VaIN 2-3) und Kondylomen entspricht ebenfalls nahezu 100 Prozent (Garland 2007, Joura 2011). Darüber hinaus gibt es zusätzliche Daten aus der Nachbeobachtung der Frauen großer Impfstoffstudien. Diese zeigen, dass der tetravalente Impfstoff auch Rezidive nach Therapie einer CIN/ VIN in 50 bis 70 Prozent der Fälle verhindern kann (Joura 2012). Demnach können auch Frauen nach durchgemachter Infektion und Therapie einer Präneoplasie von einer Impfung profitieren (Monsonego 2010).

Fazit für die Praxis

Die häufigste HPV-induzierte Erkrankung sind Kondylome, die zwar gutartig, aber problematisch in Bezug auf Rezidive sind. Hochgradige zervikale Veränderungen müssen operativ saniert, niedrig- und mittelgradige kontrolliert werden, da Letztere in vielen Fällen spontan abheilen. Präneoplasien und Neoplasien der Vulva nehmen auch bei jungen Mädchen/ Frauen zu. Es muss demzufolge immer daran gedacht werden und im Zweifelsfalle eine PE oder Vorstellung in einer Dysplasiesprechstunde zur Differenzialdiagnostik erfolgen.

Quellenhinweis:

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Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. med. Monika Hampl
Universitätsfrauenklinik Düsseldorf
Leitende Oberärztin
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E-mail: hampl@noSpam.med.uni-duesseldorf.de