Fort- und Weiterbildung

Abstracts des Münchener Symposiums für Kinder- und Jugendgynäkologie
Anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Arbeitsgemeinschaft vom 23. bis 25. Oktober 2003, Frauenklinik, Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität, München

PD Dr. med. Axel Kamischke, Münster.

Kontrazeption des Mannes: Zukünftiges und Aktuelles – 
Ist es eine Alternative für Jugendliche?

Ein ideales Kontrazeptivum für Erwachsene sollte schnell anwendbar, hoch effizient, für beide Partner akzeptabel, leicht zugänglich, vollständig reversibel, frei von Einflüssen auf die Nachkommenschaft und frei von schweren Nebenwirkungen und finanziell erschwinglich sein. Zusätzlich ist bei Jugendlichen zu beachten, dass es die physiologischen Wachstumsprozesse nicht irreversibel negativ beeinflussen darf. Hormonelle weibliche Verhütungsmittel erfüllen diese Voraussetzungen zu weiten Teilen, während die bisherigen männlichen Kontrazeptionsmethoden wie Koitus interruptus, Zeitwahlmethode und Kondome nicht ausreichend effektiv oder wie die Vasektomie nur bedingt reversibel sind.

Nach einer Erhebung aus dem Jahre 1998 der United Nations Population Devision in New York spielen in Deutschland männliche Verhütungsmethoden folglich mit nur zu 10 % eine untergeordnete Rolle, während in 77 % der Fälle hormonelle weibliche Verhütungsmethoden zum Einsatz kommen (13% andere Verfahren). Nicht zuletzt im Sinne einer gerechteren Lastenverteilung zwischen den Geschlechtern ist die Entwicklung einer effektiven, reversiblen männlichen Verhütungsmethode daher geboten, und in Umfragen wären 2/3 der Männer bereit, eine geeignete hormonelle männliche Kontrazeptionsmethode anzuwenden, deren Entwicklung auch von einer überwiegenden Mehrheit der Frauen gewünscht wird.

Der hormonelle Ansatz zur männlichen Kontrazeption ist von allen experimentellen männlichen Ansätzen derjenige, der den oben genannten Anforderungen an ein ideales Kontrazeptivum am nächsten kommt. Für die Initiierung, Erhaltung und Reinitiierung einer qualitativ und quantitativ intakten Spermatogenese beim Menschen ist die regelrechte Sekretion der hypophysären Gonadotropine LH und FSH und des übergeordneten Hypothalamushormons GnRH unabdingbare Voraussetzung. FSH wirkt dabei direkt über spezifische Rezeptoren der Sertoli-Zellen, während LH nur indirekt über die Testosteronproduktion der Leydig-Zellen auf die Spermatogenese einwirkt.

Alle hormonellen Ansätze zur männlichen Kontrazeption basieren daher auf einer möglichst maximalen Suppression der Gonadotropine, welche zu einem Arrest der Spermatogenese auf der Stufe der Spermatogonien (spermatogenetische Stammzellen) führt. Aufgrund der negativen Feedbackhemmung der Gonadotropinsekretion und zur Supplementierung des resultierenden Testosteronmangels ist die Gabe von Testosteron/Androgenpräparaten ein essentieller Bestandteil aller Ansätze zur hormonellen männlichen Kontrazeption.

Die Gabe von Androgenen ist aber insbesondere bei Jugendlichen nicht unproblematisch, da die bisher in Studien bei Erwachsenen eingesetzten Androgendosen bei Jugendlichen einen leicht vorzeitigen Verschluss der Epiphysenfugen und damit ein leicht vermindertes Größenwachstum erwarten lassen. Studien zur hormonellen männlichen Kontrazeption bei Jugendlichen existieren bisher aber nicht. Des Weiteren stellt sich die Frage der weiteren Hodenentwicklung, wenn Jugendliche mit noch nicht abgeschlossener testikulärer Entwicklung eine hormonelle männliche Kontrazeptionsmethode anwenden würden. Hierzu lassen aber Studien mit Jugendlichen, welche zur Therapie eines bestehenden Hochwuchses eine hoch dosierte Testosterontherapie erhielten, eine komplette Hodenentwicklung nach Beendigung der hormonellen Kontrazeption erwarten.

Dass grundsätzlich mit der hormonellen männlichen Kontrazeption eine Effektivität vergleichbar der weiblicher Kontrazeptiva erreicht werden kann, wurde in ersten klinischen Studien der WHO mit wöchentlicher Injektion von 200 mg Testosteronenanthat gezeigt. Jedoch waren die wöchentlichen Injektionsintervalle und weitere Behandlungsmodalitäten aus verschiedenen Gründen für die Praxis unakzeptabel.

Da auch die Effektivität aller Ansätze mit selbstanwendbaren Testosteronpräparaten bisher unzufrieden stellend waren, beruhen neuere Ansätze zur hormonellen männlichen Kontrazeption entweder auf Androgenimplantaten oder langwirksamen Testosteronestern wie z.B. dem Testosteron-Undecanoat (TU) mit Injektionsintervallen von bis zu zehn Wochen. In den Studien mit alleiniger Gabe von Testosteron zeigte sich des Weiteren, dass das Primärziel Azoospermie nur bei 68 % der Kaukasier erreicht wurde,
während 90 % der Ostasiaten eine Azoospermie erreichten. Im Gegensatz zu den Ostasiaten werden daher bei den Kaukasiern zusätzliche, die Gonadotropinsekretion hemmende Substanzen benötigt.

Eine erste Steigerung der bei Kaukasiern unbefriedigenden Suppression der Spermatogenese konnte durch die GnRH-Antagonisten erreicht werden. Aufgrund ihrer hohen Kosten und Notwendigkeit zur täglichen Applikation stellen diese aber zur Zeit keine realistische praktische Alternative zu existierenden männlichen oder weiblichen Verhütungsmethoden dar. Ähnlich wie bei den oralen Kontrazeptiva der Frau wurde daher versucht, Androgen-/Gestagen-Kombinationen zur Steigerung der Effektivität einzusetzen. Bei tolerablen Nebenwirkungen zeigten neben dem Depot-Medroxy-Progesteron-Azetat (DMPA) insbesondere die 19-Nortestosteron-Derivate Norethisteron (NET), Levonorgestrel und Desogestrel (aktive Substanz Etonorgestrel) ein Potential für die Entwicklung eines effektiven männlichen hormonellen Kontrazeptivums.

In Kombination mit dem langwirksamen injizierbaren TU zeigte in den bisherigen Studien insbesondere Norethisteron eine schnelle und von nur wenigen Kombinationen erreichte tiefe Suppression der Gonadotropine und Spermatogenese bei einem akzeptablen Applikationsmodus. So konnte in unseren Studien bei 51 von 56 Probanden eine Azoospermie und bei 55 von 56 Probanden eine zufriedenstellende Suppression der Spermienkonzentration von kleiner 1 Million Spermien/ml Ejakulat erreicht werden. Somit erscheint insbesondere mit der alle sechs bis zehn Wochen zu injizierenden Wirkstoffkombination TU/NET-Enanthat erstmals die Entwicklung eines marktreifen hormonellen Kontrazeptivums für den Mann innerhalb der nächsten Jahre möglich.

Grundsätzlich kann diese Wirkstoffkombination auch zur Kontrazeption bei männlichen Jugendlichen verwandt werden. Eine Kontraindikation stellt jedoch zunächst ein noch nicht abgeschlossenes Größenwachstum dar, da zumindest bei Verwendung der bisher etablierten Androgendosen ein vorzeitiger Verschluss der Epiphysenfugen zu erwarten steht.

PD Dr. med. A. Kamischke und E. Nieschlag, 
Institut für Reproduktionsmedizin des Universitätsklinikums Münster