Fort- und Weiterbildung

Abstracts des Münchener Symposiums für Kinder- und Jugendgynäkologie
Anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Arbeitsgemeinschaft vom 23. bis 25. Oktober 2003, Frauenklinik, Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Dr. med. Gisela Gille, Lüneburg

Wenn Kinder Kinder bekommen: Mehr als nur ein medizinisches Problem

Die Zahl der schwangeren Minderjährigen steigt im 5-Jahresvergleich von 1996 bis 2001 kontinuierlich (Abb.1). Parallel dazu steigt die Zahl derjenigen Mädchen und jungen Frauen unter 18 Jahren, die ihr Kind abtreiben lassen. Die Zahl der statistisch erfassten Schwangerschaftsabbrüche ist allein im Jahr 2001 um 20 % gestiegen. Es besteht Handlungsbedarf, denn egal, ob ein Mädchen sich für den Abbruch entscheidet oder ihr Kind kriegt, durch diesen unzeitgemäßen Einschnitt in der Biographie wird das Leben hinterher nicht mehr das gleiche sein wie vorher.

Das ruft die Frage nach den Ursachen auf den Plan, denn dieses Phänomen scheint auf den ersten Blick unerklärlich zu sein. War je eine Generation aufgeklärter als diese, hatte je zuvor eine Jugend unbegrenzteren Zugang zu Informationen oder war je zuvor der Zugang zu Verhütungsmitteln so wenig restriktiv? Aber führen die Beziehungsmuster in Soaps, die Rollenklischees in Filmen, die perfekten Körper in Videoclips und die Propagierung von Sexualität als Muss für Winner-Typen Typen zu verlasslichen und abrufbaren Informationen? Wir haben es mit einer medienerfahrenen Generation zu tun, die alles schon mal irgendwo gehört hat, aber weniges wirklich einordnen kann. Außerdem werden durch die Banalisierung und Trivialisierung von Sexuälitat neue Normen gesetzt und ein spürbarer Gruppendruck erzeugt, der gepaart mit Halbwissen, Neugier und Beziehungssehnsucht eine brisante Mischung ergibt mit Konsequenzen unter Umständen für den gesamten Lebensentwurf von Mädchen.

Insbesondere sozial benachteiligte Mädchen mit großer Sehnsucht nach familiärer Geborgenheit und wenig anderweitigen Perspektiven sind anfällig für die massenmedialen Botschaften einerseits und für unbewusst nachlässigen Umgang mit der Verhütung.

Es besteht Handlungsbedarf, und damit stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit fundierter gynäkologischer Prävention mit Mädchen und jungen Frauen, wenn wir als Ärztinnen und Ärzte diesen Trend nicht einfach als gegeben akzeptieren wollen. Die akademische Heimatlosigkeit der primären Prävention hat zumindest in der Gynäkologie einen Namen: Ärztliche Gesellschaft zur Gesundheitsförderung der Frau e.V. ( ÄGGF ). 41 Ärztinnen zwischen Kiel und München stellen der schulischen Sexualerziehung ihre ärztliche Kompetenz an die Seite und erreichen mit diesem Gesprächsangebot pro Jahr ca. 50 000 Mädchen und junge Frauen.

Dr. med. Gisela Gille,
Ärztliche Gesellschaft zur Gesundheitsförderung der Frau e.V., Lüneburg